§ 17a MRVG - Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
Bibliographie
- Titel
- Maßregelvollzugsgesetz - MRVG -
- Amtliche Abkürzung
- MRVG
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Nordrhein-Westfalen
- Gliederungs-Nr.
- 2128
(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind gegen den natürlichen Willen der Patientinnen und Patienten nur bei gegenwärtiger Lebensgefahr sowie gegenwärtiger schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten oder anderer Personen zulässig, wenn die Patientin oder der Patient zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist. Maßnahmen nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
- 1.
erfolglos versucht worden ist, die Zustimmung der Patientinnen und Patienten zu der Maßnahme zu erwirken,
- 2.
die Anordnung der Maßnahme den Patientinnen und Patienten angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert wurden,
- 3.
die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,
- 4.
der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen für die Patientinnen und Patienten die mit der Maßnahme für sie verbundenen Belastungen deutlich überwiegt und
- 5.
die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der Patientinnen und Patienten verbunden ist.
(2) Die medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen der Patientinnen und Patienten ist darüber hinaus zur Erreichung der Entlassfähigkeit oder bei einer erheblichen Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten zulässig, wenn und solange
- 1.
die Patientinnen oder Patienten zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage sind,
- 2.
der mit dem nötigen Zeitaufwand unternommene Versuch vorausgegangen ist, die Zustimmung der Patientinnen oder Patienten zu erreichen,
- 3.
die Maßnahme zur Erreichung des Ziels geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,
- 4.
der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen für die Patientinnen und Patienten die mit der Maßnahme für sie verbundenen Belastungen deutlich überwiegt und eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos ist,
- 5.
die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der Patientinnen und Patienten verbunden ist und
- 6.
im Falle der Behandlung zur Erreichung der Entlassfähigkeit die Maßnahme regelmäßig nicht mit mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist.
(3) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 werden ärztlich, Maßnahmen nach Absatz 2 fachärztlich angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung erfolgt im Einvernehmen mit der therapeutischen Leitung der Einrichtung. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 und 2 und die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(4) Eine Zwangsbehandlung nach Absatz 2 bedarf der vorherigen Einwilligung durch das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium. Über eine Zwangsbehandlung nach Absatz 1 ist es zeitnah zu unterrichten.
(5) Maßnahmen nach Absatz 2 sind den Patientinnen und Patienten zwei Wochen vor ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art, Umfang und Dauer in einer ihrem Gesundheitszustand entsprechenden Weise anzukündigen. Zugleich ist über die Möglichkeit zu belehren, eine gerichtliche Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436) in der jeweils geltenden Fassung herbeizuführen.
(6) Eine Anordnung nach Absatz 2 gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten. Nach Ablauf dieser Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen, die zusätzlich ein positives Votum zur Fortsetzung der Zwangsbehandlung von einer unabhängigen Fachärztin oder einem unabhängigen Facharzt voraussetzt. Diese oder diesen bestimmt das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium.
(7) Über Maßnahmen nach Absatz 1 und Absatz 2 sind Personensorgeberechtigte der Patientinnen und Patienten unverzüglich zu unterrichten. Dem Wunsch der Patientinnen und Patienten nach Unterrichtung weiterer Personen soll entsprochen werden.
(8) Eine bestehende Patientenverfügung ist zu beachten.
Außer Kraft am 31. Dezember 2021 durch § 63 Satz 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1494). Zur weiteren Anwendung s. § 62 des Gesetzes vom 17. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1494).