§ 12 SächsVSG - Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz

Bibliographie

Titel
Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Verfassungsschutzgesetz - SächsVSG)
Amtliche Abkürzung
SächsVSG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Sachsen
Gliederungs-Nr.
12-1

(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Behörden sowie andere öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigen. Soweit die Daten Verwendungsbeschränkungen unterliegen, hat das Landesamt für Verfassungsschutz die Daten zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. Empfänger dürfen die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden.

(2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat der Staatsanwaltschaft und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen die ihm bekannt gewordenen personenbezogenen Daten zu übermitteln, wenn im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung nach § 2 zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies zur Verhinderung oder Verfolgung folgender Straftaten erforderlich ist:

  1. 1.
    von Staatsschutzdelikten nach §§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie von Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, der Motive der Täter oder deren Verbindungen zu einer Organisation zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, und
  2. 2.
    von Straftaten, die gegen das Leben oder in erheblichem Maße gegen die körperliche Unversehrtheit oder gegen Sach- und Vermögenswerte von erheblicher Bedeutung gerichtet sind.

(1)

Soweit die Daten Verwendungsbeschränkungen unterliegen, hat das Landesamt für Verfassungsschutz die Daten zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist durch den Empfänger aufrechtzuerhalten.

(3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an andere als öffentliche Stellen nicht übermitteln, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes, zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeit für eine fremde Macht oder zur Gewährleistung der Sicherheit einer lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtung nach § 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl.1 S. 867), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3322, 3329), in der jeweils geltenden Fassung, oder nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 SächsSÜG in der jeweils geltenden Fassung erforderlich ist und der Staatsminister des Innern oder sein Vertreter zugestimmt hat. Die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl gleichartiger, sachlich zusammenhängender Fälle vorweg erteilt werden. Sie ist nicht erforderlich für den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. Er ist verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz auf Verlangen Auskunft über die vorgenommene Verwendung zu geben. Der Empfänger ist auf die Verpflichtungen nach den Sätzen 5 und 6 hinzuweisen.

(4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen übermitteln wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Belange der Länder oder überwiegende schutzwürdige Interessen von Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Empfänger sind darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie übermittelt wurden, und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten.

(5) Der Empfänger prüft, ob die übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren.

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen

Vom 21. Juli 2005 (SächsGVBl. S. 289)

Aus dem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen vom 21. Juli 2005 im Normenkontrollverfahren auf Antrag von 30 Abgeordneten des 3. Sächsischen Landtages zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen - Vf. 67-11-04 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

I.

  1. 1.

    § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Verfassungsschutzgesetz - SächsVSG), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes vom 20. April 2004 (SächsGVBl. S. 134), ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Zuständigkeit für die Zusammenarbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz mit den anderen Ländern und dem Bund in Angelegenheiten der Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten Organisierter Kriminalität nur besteht

    1. a)
      zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder richten, oder
    2. b)
      zum Schutz vor Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

  2. 2.

    § 2 Abs. 1 Nr. 5 SächsVSG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Wahrnehmung der Aufgabe zugleich zu dienen bestimmt ist

    1. a)
      dem Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder richten, oder
    2. b)
      dem Schutz vor Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

  3. 3.

    § 5 Abs. 4 Nr. 2 SächsVSG ist mit Artikel 15 und Artikel 30 SächsVerf in Verbindung mit Artikel 14 Abs. 1 SächsVerf unvereinbar.

  4. 4.

    § 5 Abs. 7 SächsVSG ist mit Artikel 30 SächsVerf unvereinbar.

  5. 5.

    § 12 Abs. 2 SächsVSG ist mit Artikel 33 SächsVerf unvereinbar.

  6. 6.

    Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

II.

  1. 1.

    § 5 Abs. 4 Nr. 2 SächsVSG gilt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30. Juni 2006, mit folgenden Maßgaben fort:
    Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, nicht erfasst werden. Die Maßnahme ist unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch die Überwachung Äußerungen, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, erfasst würden. Aufzeichnungen über solche Äußerungen sind unverzüglich zu löschen.

  2. 2.

    § 5 Abs. 7 SächsVSG gilt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30. Juni 2006, mit der Maßgabe fort, dass diese Daten nur übermittelt werden dürfen, wenn und soweit zu ihrer Erhebung die Staatsanwaltschaft aus strafprozessualen Gründen berechtigt gewesen wäre oder die Übermittlung der Abwehr von Gefahren im Sinne des Artikel 30 Abs. 3 SächsVerf zu dienen bestimmt ist.

  3. 3.

    § 12 Abs. 2 SächsVSG gilt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30. Juni 2006, mit der Maßgabe fort, dass die Daten zu kennzeichnen sind und nach einer Übermittlung die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten ist.