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  • ab 05.06.2020 (aktuelle Fassung)

§ 67a SOG M-V - Elektronische Aufenthaltsüberwachung (11)

Bibliographie

Titel
Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V)
Amtliche Abkürzung
SOG M-V
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Mecklenburg-Vorpommern
Gliederungs-Nr.
2011-3

(1) Die Polizei kann eine Person dazu verpflichten, ein technisches Mittel, mit dem der Aufenthaltsort dieser Person elektronisch überwacht werden kann, ständig in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen und dessen Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, wenn

  1. 1.

    Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person innerhalb eines überschaubaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine terroristische Straftat nach § 67c begehen oder an dieser teilnehmen wird, oder

  2. 2.

    das individuelle Verhalten dieser Person die konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine terroristische Straftat nach § 67c begehen oder an dieser teilnehmen wird,

um diese Person durch die Überwachung und die Datenverwendung von der Begehung einer solchen Straftat abzuhalten.

(2) Eine Maßnahme nach Absatz 1 soll mit einer Maßnahme nach § 67b verbunden werden.

(3) Die Polizei kann mithilfe der von der verantwortlichen Person mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung erheben und speichern. Soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der betroffenen Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. Die Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verarbeitet werden, soweit dies erforderlich ist für die folgenden Zwecke:

  1. 1.

    zur Verhütung oder zur Verfolgung einer terroristischen Straftat nach § 67c,

  2. 2.

    zur Feststellung von Verstößen gegen eine Aufenthaltsanordnung nach § 67b,

  3. 3.

    zur Verfolgung einer Straftat nach § 67d,

  4. 4.

    zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr oder

  5. 5.

    zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der technischen Mittel.

Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 3 hat die Verarbeitung der Daten automatisiert zu erfolgen. Zudem sind die Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verarbeitung besonders zu sichern.

(4) Die in Absatz 3 Satz 1 genannten Daten sind spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht für die in Absatz 3 Satz 3 genannten Zwecke verwendet werden. Für die Protokollierung gelten die §§ 46e und 46f. Werden innerhalb der Wohnung der betroffenen Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, dürfen diese nicht verarbeitet werden und sind unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen. Die Tatsache ihrer Kenntnisnahme ist zu dokumentieren und die Löschung zu protokollieren; für die Dokumentation gilt § 46d und für die Protokollierung Satz 2.

(5) Eine Maßnahme nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, bedarf der richterlichen Anordnung auf Antrag der Leitung der zuständigen Polizeibehörde. Im Antrag sind anzugeben:

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Namen und Anschrift,

  2. 2.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, die Angabe, ob gegenüber der Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, eine Aufenthaltsanordnung nach § 67b besteht,

  3. 3.

    der Sachverhalt sowie

  4. 4.

    eine Begründung.

Bei Gefahr im Verzug kann die Leitung der zuständigen Polizeibehörde die Maßnahme anordnen; § 25b gilt entsprechend. Eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft.

(6) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, mit Namen und Anschrift,

  2. 2.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

  3. 3.

    im Fall des Absatzes 2 die Angaben aus § 67b Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 sowie

  4. 4.

    die Gründe.

(7) Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist möglich, soweit die Anordnungsvoraussetzungen fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 3. April 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 98)

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    § 33 Absatz 2 Satz 3, § 33c Absatz 1 Satz 2, § 33d Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 35 Absatz 1 Satz 2 jeweils in Verbindung mit § 67a Absatz 1, soweit darin auf § 67c Halbsatz 1 Nummer 1 verwiesen wird, sowie § 33b Absatz 1 Satz 2 und § 35 Absatz 1 Satz 1, soweit er in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Nummer 4 die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten umfasst, und § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG MV) in der Fassung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern Seite 334) verstoßen gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

  2. 2.
  3. 3.

    Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2023, gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit den folgenden Maßgaben fort:

    Maßnahmen gemäß § 33 Absatz 2 Satz 1, gemäß § 33c Absatz 5 Alternative 2 und gemäß § 33d Absatz 3 Satz 3 in Verbindung mit § 33c Absatz 5 Alternative 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nur ergriffen werden, wenn eine wenigstens konkretisierte Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Sachen von bedeutendem Wert besteht, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, wie zum Beispiel wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen.

    Eine Ausnahme von dem Gebot des Abbruchs der Datenerhebung bei Eindringen in den grundrechtlich geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nach § 26a Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern darf, soweit sie dem Schutz der verdeckt Ermittelnden selbst oder einer Vertrauensperson selbst dient, nur erfolgen, wenn ansonsten eine Gefahr für deren Leib oder Leben besteht. Wenn ein Abbruch unterbleibt, müssen die Kernbereichsrelevanz vor der Weitergabe der Information überprüft, der fehlende Abbruch dokumentiert, festgehaltene kernbereichsrelevante Informationen sofort gelöscht oder auf sonstige Weise vernichtet und dies ebenfalls dokumentiert werden.

    Maßnahmen gemäß § 35 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nur ergriffen werden, wenn eine wenigstens konkretisierte Gefahr für ein Rechtsgut von mindestens erheblichem Gewicht besteht.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.