Anlage ThürAIKG
Bibliographie
- Titel
- Thüringer Gesetz über die Architektenkammer, die Ingenieurkammer und den Schutz von Berufsbezeichnungen (Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz - ThürAIKG)
- Amtliche Abkürzung
- ThürAIKG
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Thüringen
- Gliederungs-Nr.
- 71-1
(zu § 37 Abs. 7 Satz 2)
Prüfraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung
1. Prüfung der Verhältnismäßigkeit
1.1.
Vor dem Erlass neuer oder der Änderung oder der Aufhebung bestehender Satzungen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/958 fallen, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den nachfolgenden Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Satzung stehen; er ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei sich die Prüfung auf einzelne oder sämtliche Regelungen einer Satzung (Satzungsvorschriften) erstrecken kann.
1.2.
Satzungsvorschriften nach Nummer 1.1 sind jeweils mit einer Erläuterung zu versehen, die so ausführlich ist, dass eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermöglicht wird.
1.3.
Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass Satzungsvorschriften nach Nummer 1.1 gerechtfertigt und verhältnismäßig sind, sind jeweils durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.
1.4.
Satzungsvorschriften nach Nummer 1.1 dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.
1.5.
Satzungsvorschriften nach Nummer 1.1 müssen durch Ziele des Allgemeininteresses nach Artikel 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein. Sie müssen für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen.
2. Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung
2.1.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Satzungsvorschriften sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
- a)
die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte,
- b)
die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen,
- c)
die Eignung der Satzungsvorschriften zur Erreichung des angestrebten Ziels sowie die Frage, ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht werden und somit den Risiken entgegenwirken, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden,
- d)
die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen,
- e)
die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Satzungsvorschriften nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist im Sinne des Halbsatzes 1 insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch mildere Maßnahmen erreicht werden kann, als die Tätigkeiten bestimmten Berufen vorzubehalten,
- f)
die Wirkung der neuen oder geänderten Vorschriften, wenn sie mit anderen Vorschriften kombiniert werden, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, und insbesondere, wie die neuen oder geänderten Vorschriften kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben im Allgemeininteresse liegenden Ziels beitragen und ob sie hierfür notwendig sind.
2.2.
Darüber hinaus sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Satzungsvorschriften die folgenden Punkte zu berücksichtigen, soweit sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Satzungsvorschriften relevant sind:
- a)
der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Tätigkeiten, die von einem Beruf erfasst sind oder die einem Beruf vorbehalten sind, und der erforderlichen Berufsqualifikation,
- b)
der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die die Aufgaben wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf das Niveau, die Eigenart und die Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung,
- c)
die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen,
- d)
die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können,
- e)
der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen,
- f)
die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.
2.3.
Für die Zwecke nach Nummer 2.1 Buchst. f sind die Auswirkungen der neuen oder geänderten Satzungsvorschrift, wenn sie mit einer oder mehreren Anforderungen kombiniert wird, zu prüfen, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese Auswirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können. Folgende Anforderungen sind bei der Prüfung nach Satz 1 insbesondere zu berücksichtigen:
- a)
Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnung oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG,
- b)
Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung,
- c)
Regelungen in Bezug auf Berufsorganisation, Standesregeln und Überwachung,
- d)
Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation voraussetzen,
- e)
quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, die die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder die eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmer, Geschäftsführer oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen,
- f)
Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung des reglementierten Berufs zusammenhängen,
- g)
geografische Beschränkungen, auch dann, wenn der Beruf in Teilen der Bundesrepublik Deutschland in einer Weise reglementiert ist, die sich von der Reglementierung in anderen Teilen unterscheidet,
- h)
Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufs beschränken, sowie Unvereinbarkeitsregeln,
- i)
Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht,
- j)
Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind,
- k)
festgelegte Mindest- oder Höchstpreisanforderungen,
- l)
Anforderungen an die Werbung.
2.4.
Zusätzlich ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen nach Titel II der Richtlinie 2005/36/EG spezifische Anforderungen, einschließlich der folgenden Anforderungen, neu eingeführt oder geändert werden:
- a)
eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-Forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation nach Artikel 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG,
- b)
eine vorherige Meldung nach Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die nach Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Dokumente oder eine sonstige gleichwertige Anforderung,
- c)
die Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder im Zusammenhang mit deren Ausübung gefordert werden.
Die Verpflichtung nach Satz 1 gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.