Versionsverlauf


Anlage 11 RSAV - Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Patientinnen und Patienten mit chronischen obstruktiven Atemwegserkrankungen

Bibliographie

Titel
Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung - RSAV)
Amtliche Abkürzung
RSAV
Normtyp
Rechtsverordnung
Normgeber
Bund
Gliederungs-Nr.
860-5-12

Anlage 11
(zu §§ 28b bis 28g)

Teil II: Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD)

1. Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

1.1 Definition der chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD)

Die COPD ist eine chronische, in der Regel progrediente Atemwegs- und Lungenerkrankung, die durch eine nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Glukokortikosteroiden nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis mit oder ohne Lungenemphysem gekennzeichnet ist.
Eine chronische Bronchitis ist durch dauerhaften Husten, in der Regel mit Auswurf über mindestens ein Jahr gekennzeichnet. Eine chronische obstruktive Bronchitis ist zusätzlich durch eine permanente Atemwegsobstruktion mit oder ohne Lungenüberblähung gekennzeichnet. Das Lungenemphysem ist charakterisiert durch eine Abnahme der Gasaustauschfläche der Lunge. Ausmaß der Obstruktion, Lungenüberblähung und Gasaustauschstörung können unabhängig voneinander variieren.

1.2 Hinreichende Diagnostik zur Aufnahme in das strukturierte Behandlungsprogramm COPD

Die Diagnostik der COPD basiert auf einer für die Erkrankung typischen Anamnese, ggf. dem Vorliegen charakteristischer Symptome, und dem Nachweis einer Atemwegsobstruktion mit fehlender oder geringer Reversibilität.

1.2.1 Anamnese, Symptomatik und körperliche Untersuchung
Anamnestisch sind insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  1. -
    täglich Husten, meist mit täglichem Auswurf, mindestens über ein Jahr,
  2. -
    Atemnot bei körperlicher Belastung, bei schweren Formen auch in Ruhe,
  3. -
    langjähriges Inhalationsrauchen,
  4. -
    Berufsanamnese,
  5. -
    Infektanamnese,
  6. -
    differentialdiagnostisch relevante Erkrankungen, insbesondere Asthma bronchiale und Herzerkrankungen.


Die körperliche Untersuchung zielt ab auf den Nachweis von Zeichen einer bronchialen Obstruktion, einer Lungenüberblähung und eines Corpulmonale. Bei Patientinnen und Patienten mit geringer Ausprägung der COPD kann der körperliche Untersuchungsbefund unauffällig sein. Bei schwerer COPD können Giemen und Brummen fehlen, in diesen Fällen ist das Atemgeräusch deutlich abgeschwächt.
Neben der COPD kann ein Asthma bronchiale bestehen. In solchen Fällen bestehen zusätzlich Zeichen der bronchialen Hyperreagibilität und eine größere Variabilität bzw. Reversibilität der Atemwegsobstruktion.

1.2.2 Lungenfunktionsanalytische Stufendiagnostik
Die Basisdiagnostik umfasst die Messung der Atemwegsobstruktion mit Nachweis einer fehlenden oder geringen Reversibilität. Die Lungenfunktionsdiagnostik dient somit der Sicherung der Diagnose, der differentialdiagnostischen Abgrenzung zu anderen obstruktiven Atemwegs- und Lungenkrankheiten sowie zur Verlaufs- und Therapiekontrolle.
Für eine Diagnosestellung im Hinblick auf die Einschreibung ist das Vorliegen einer COPD-typischen Anamnese, der Nachweis einer Reduktion von FEV1 unter 80% des Sollwertes und mindestens eines der folgenden Kriterien erforderlich:

  1. -
    Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70%
    und
    Zunahme der FEV1 um weniger als 15% und/oder um weniger als 200 ml 10 Minuten nach Inhalation eines kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums oder 30 Minuten nach Inhalation eines kurz wirksamen Anticholinergikums (Bronchodilatator-Reversibilitätstestung).
  2. -
    Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70%
    und
    Zunahme der FEV1 um weniger als 15% und/oder um weniger als 200 ml nach mindestens 14-tägiger Gabe von systemischen Glukokortikosteroiden oder mindestens 28-tägiger Gabe einet inhalativen Glukokortikosteroids in einer stabilen Krankheitsphase (Glukokortikosteroid-Reversibilitätstestung).
  3. -
    Nachweis einer Atemwegswiderstandserhöhung oder einer Lungenüberblähung oder einer Gasaustauschstörung bei Patientinnen und Patienten mit FEV1/VC größer 70% und einer radiologischen Untersuchung der Thoraxorgane, die eine andere die Symptomatik erklärende Krankheit ausgeschlossen hat.


Eine gleichzeitige Einschreibung in Teil I (Asthma bronchiale) und Teil II (COPD) des strukturierten Behandlungsprogramms ist nicht möglich.
Die Einschreibekriterien für strukturierte Behandlungsprogramme ergeben sich zusätzlich aus Ziffer 3. Die Ärztin/ Der Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

1.3 Therapieziele

Die Therapie dient der Steigerung der Lebenserwartung sowie der Erhaltung und der Verbesserung der COPD-bezogenen Lebensqualität. Dabei sind folgende Therapieziele in Abhängigkeit von Alter und Begleiterkrankungen der Patientin oder des Patienten anzustreben:

  1. 1.

    Vermeidung/Reduktion von:

    1. -

      akuten und chronischen Krankheits-Beeinträchtigungen (z.B. Exazerbationen, Begleit- und Folgeerkrankungen),

    2. -

      einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung der körperlichen und sozialen Aktivität im Alltag,

    3. -

      einer raschen Progredienz der Erkrankung bei Anstreben der bestmöglichen Lungenfunktion unter Minimierung der unerwünschten Wirkungen der Therapie;

  2. 2.

    Reduktion der COPD-bedingten Letalität.

1.4 Differenzierte Therapieplanung

Gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten ist eine differenzierte Therapieplanung auf der Basis einer individuellen Risikoabschätzung vorzunehmen. Dabei ist auch das Vorliegen von Mischformen (Asthma bronchiale und COPD) zu berücksichtigen.
Der Leistungserbringer hat zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.
Auf der Basis der individuellen Risikoabschätzung und der allgemeinen Therapieziele sind gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten individuelle Therapieziele festzulegen. Für die individuelle Risikoabschätzung sind insbesondere die Lungenfunktion (FEV1) und das Körpergewicht prognostisch relevant.

1.5 Therapeutische Maßnahmen

1.5.1 Nicht-medikamentöse Maßnahmen

1.5.1.1 Allgemeine nicht-medikamentöse Maßnahmen
Die/Der behandelnde Ärztin/Arzt soll die Patientin oder den Patienten insbesondere hinweisen auf:

  1. -
    COPD-Noxen bzw. -Verursacher (z.B. Aktiv- und Passivrauchen, ausgeprägte, auch berufsbedingte Staubbelastung) und deren Vermeidung,
  2. -
    Infektionsprophylaxe,
  3. -
    Arzneimittel (insbesondere Selbstmedikation), die zu einer Verschlechterung der COPD führen können,
  4. -
    eine adäquate Ernährung (hyperkalorisch) bei Untergewicht), (1)(2)(3)

1.5.1.2 Tabakentwöhnung
Inhalationsrauchen verschlechtert die Prognose einer COPD erheblich. Deswegen stehen Maßnahmen zur Raucherentwöhnung im Vordergrund der Therapie.
Im Rahmen der Therapie klärt die/der behandelnde Ärztin/Arzt die Patientin oder den Patienten über die besonderen Risiken des Tabakrauchens für Patientinnen und Patienten mit COPD auf, verbunden mit spezifischen Beratungsstrategien (4)(5)(6)(7) und der dringenden Empfehlung, das Rauchen aufzugeben:

  1. -
    Der Raucherstatus sollte bei jeder Patientin oder jedem Patienten bei jeder Konsultation erfragt werden.
  2. -
    Raucherinnen und Raucher sollten in einer klaren, auffordernden und persönlichen Form dazu motiviert werden, mit dem Rauchen aufzuhören.
  3. -
    Es sollte festgestellt werden, ob die Raucherin oder der Raucher zu dieser Zeit bereit ist, einen Ausstiegsversuch zu beginnen.
  4. -
    Für ausstiegsbereite Raucherinnen und Raucher sollte professionelle Beratungshilfe (z.B. verhaltenstherapeutisch) zur Verfügung gestellt werden.
  5. -
    Es sollten Folgekontakte vereinbart werden, möglichst in der ersten Woche nach dem Ausstiegsdatum.

1.5.1.3 Körperliches Training
Körperliches Training führt in der Regel zu einer Verringerung der COPD-Symptomatik, zur Besserung der Belastbarkeit und kann zur Verbesserung der Lebensqualität oder Verringerung der Morbidität beitragen (8)(9)(10)
Daher soll die/der behandelnde Ärztin/Arzt regelmäßig darauf hinweisen, dass die Patientin oder der Patient geeignete Maßnahmen des körperlichen Trainings ergreift. Ein regelmäßiges, mindestens einmal wöchentliches Training, soll empfohlen werden. Art und Umfang des körperlichen Trainings sollen sich an der Schwere der Erkrankung und der Verfügbarkeit der Angebote orientieren.

1.5.1.4 Strukturierte Schulungs- und Behandlungsprogramme
Jede Patientin und jeder Patient mit COPD soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Behandlungs- und Schulungsprogramm erhalten. Im Übrigen gelten die unter Ziffer 4.2 genannten Zugangs- und Qualitätssicherungskriterien.

1.5.1.5 Allgemeine Krankengymnastik (Atemtherapie)
Allgemeine Krankengymnastik mit dem Schwerpunkt Atemtherapie ist ein ergänzender Teil der nicht-medikamentösen Behandlung der COPD (11)(12)(13)(14)(15)(16) In geeigneten Fällen (z.B. starke Schleimretention) kann daher die Ärztin oder der Arzt die Verordnung von Krankengymnastik?Atemtherapie/Physiotherapie unter Beachtung der Heilmittelrichtlinien erwägen.

1.5.2 Langzeit-Sauerstoff-Therapie
Bei Nachweis einer schweren, chronischen Hypoxämie soll geprüft werden, ob eine Langzeit-Sauerstoff-Therapie indiziert ist.

1.5.3 Häusliche Beatmung
Bei Vorliegen einer chronischen Hyperkapnie kann eine intermittierende nicht-invasive häusliche Beatmung erwogen werden.

1.5.4 Rehabilitation
Die ambulante oder stationäre pneumologische Rehabilitation ist ein Prozess, bei dem Patientinnen und Patienten mit COPD mit Hilfe eines multidisziplinären Teams darin unterstützt werden, die individuell bestmögliche physische und psychische Gesundheit zu erlangen und aufrechtzuerhalten (10)(17)(18)(19)(20)(21)(22)(23) sowie die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wieder herzustellen und selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Eine Rehabilitationsleistung soll Benachteiligungen durch die COPD und/oder ihre Begleit? und Folgeerkrankungeh vermeiden helfen oder ihnen entgegenwirken. Dabei ist den besonderen Bedürfnissen betroffener Kinder und Jugendlicher Rechnung zu tragen.
Die Rehabilitation kann Bestandteil einer am langfristigen Erfolg orientierten umfassenden Versorgung von Patientinnen und Patienten mit COPD sein. Die Notwendigkeit einer Rehabilitationsleistung ist gemäß Ziffer 1.6.4 individuell zu prüfen.

1.5.5 Operative Verfahren
Lungenfunktionsverbessernde Verfahren sind in geeigneten Fällen (insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit großen Bullae bzw. schwerem oberfeldbetontem Emphysem) zu erwägen (24) .

1.5.6 Psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung
Auf Grund des komplexen Zusammenwirkens von somatischen, psychischen und sozialen Faktoren bei Patientinnen und Patienten mit COPD ist durch die Ärztin oder den Arzt zu prüfen, inwieweit die Patientinnen und Patienten von psychotherapeutischen (z.B. verhaltenstherapeutischen) und/oder psychiatrischen Behandlungen profitieren können. Bei psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert sollte die Behandlung durch qualifizierte Leistungserbringer erfolgen.

1.5.7 Medikamentöse Maßnahmen
Zur medikamentösen Therapie ist mit der Patientin oder dem Patienten ein individueller Therapieplan zu erstellen und Maßnahmen zum Selbstmanagement zu erarbeiten (siehe auch strukturierte Schulungsprogramme (Ziffer 4)).
Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen und der Präferenzen der Patientinnen und Patienten Medikamente verwendet werden, deren positiver Effekt und Sicherheit im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3 genannten Therapieziele in prospektiven randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen wurde. Dabei sollen vorrangig diejenigen Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen oder Kombinationen bevorzugt werden, die diesbezüglich den größten Nutzen erbringen.
Da das Ansprechen auf Medikamente individuell und im Zeitverlauf unterschiedlich sein kann (z.B. Theophyllin, inhalative und orale Glukokortikosteroide), ist ggf. ein Auslassversuch unter Kontrolle der Symptomatik und der Lungenfunktion zu erwägen.
Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung andere Wirkstoffgruppen oder Wirkstoffe als die in dieser Anlage genannten verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Wirkstoffgruppen oder Wirkstoffe Wirksamkeitsbelege bzgl. der unter Ziffer 1.3 genannten Therapieziele vorliegen.
Ziel der medikamentösen Therapie ist es insbesondere, die Symptomatik (vor allem Husten, Schleimretention und Luftnot) zu verbessern und Exazerbationen zeitnah zu behandeln sowie deren Rate zu reduzieren.
In der medikamentösen Behandlung der COPD werden Bedarfstherapeutika (Medikamente, die bei Bedarf, z.B. bei zu erwartenden körperlichen Belastungssituationen oder zur Behandlung von Dyspnoe eingenommen werden) und Dauertherapeutika (Medikamente, die als Basistherapie regelmäßig eingenommen werden) unterschieden.
Vorrangig sollten folgende Wirkstoffgruppen bzw. Wirkstoffe verwendet werden:
Bedarfstherapie:

  1. -
    kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika (Fenoterol, Salbutamol, Terbutalin),
  2. -
    kurz wirksame Anticholinergika (Ipratropiumbromid),
  3. -
    Kombination von kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika und Anticholinergika.


In begründeten Fällen:

  1. -

    Theophyllin (Darreichungsform mit rascher Wirkstofffreisetzung),

  2. -

    bei Schleimretention können erwogen werden:

    1. -

      Inhalation von Salzlösungen,

    2. -

      mukoaktive Substanzen.

Falls erforderlich zur Dauertherapie:

  1. -
    lang wirksames Anticholinergikum (Tiotropiumbromid),
  2. -
    lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (Formoterol, Salmeterol).

In begründeten Einzelfällen:

  1. -
    Theophyllin (Darreichungsform mit verzögerter Wirkstofffreisetzung),
  2. -
    inhalative Glukokortikosteroide (25)(26) (bei mittelschwerer und schwerer COPD, insbesondere wenn außerdem Zeichen eines Asthma bronchiale bestehen),
  3. -
    systemische Glukokortikosteroide.


Bei gehäuft auftretenden Exazerbationen können mukoaktive Substanzen (Acetylcystein, Ambroxol, Carbocistein) erwogen werden.
Nach einer initialen Einweisung in die Inhalationstechnik sollte diese in jedem Dokumentationszeitraum mindestens einmal überprüft werden.

1.5.7.1 Schutzimpfungen
Schutzimpfungen gegen Influenza und Pneumokokken sollten gemäß den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) bei Patientinnen und Patienten mit COPD erwogen werden.

1.5.7.2 Atemwegsinfekte
Infekte führen häufig zu akuten Verschlechterungen der Erkrankung. In diesen Fällen ist primär eine Intensivierung der Bedarfstherapie, insbesondere auch durch kurzfristige Gabe von systemischen Glukokortikosteroiden, erforderlich. Bei Hinweisen auf bakterielle Infekte (z.B. grün-gelbes Sputum) sollte frühzeitig die Durchführung einer Antibiotikabehandlung erwogen werden (27) .

1.6 Kooperation der Versorgungssektoren
Die Betreuung der Patientinnen und Patienten mit COPD erfordert die Zusammenarbeit aller Sektoren (ambulant und stationär) und Einrichtungen. Eine qualifizierte Behandlung muss über die gesamte Versorgungskette gewährleistet sein.

1.6.1 Koordinierende/rÄrztin/Arzt
Die Langzeit-Betreuung der Patientin oder des Patienten und deren Dokumentation im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms erfolgt grundsätzlich durch die Hausärztin oder den Hausarzt im Rahmen der im § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben.
In Ausnahmefällen kann eine Patientin oder ein Patient mit COPD eine/n zugelassene/n oder ermächtigte/n qualifizierten Fachärztin/Facharzt oder eine qualifizierte Einrichtung, die für die Erbringung dieser Leistung zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt, auch zur Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Einschreibung von dieser Ärztin/diesem Arzt oder von dieser Einrichtung dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Die Überweisungsregeln gemäß Ziffer 1.6.2 sind von der/dem gewählten Ärztin/Arzt oder der gewählten Einrichtung zu beachten, wenn ihre besondere Qualifikation für eine Behandlung der Patientinnen und Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen nicht ausreicht.
Bei Patientinnen und Patienten, die sich in kontinuierlicher Betreuung der Fachärztin/des Facharztes der Einrichtung befinden, hat diese /dieser bei einer Stabilisierung des Zustandes zu prüfen, ob eine Rücküberweisung an die Hausärztin oder den Hausarzt möglich ist.

1.6.2 Überweisung von der/dem koordinierenden Ärztin/Arzt zur/zum jeweils qualifizierten Fachärztin/Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung
Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob insbesondere bei folgenden Indikationen/Anlässen eine Überweisung/Weiterleitung zur Mitbehandlung und/oder zur erweiterten Diagnostik von Patientinnen und Patienten zur/zum jeweils qualifizierten Fachärztin/Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung erfolgen soll:

  1. -
    bei unzureichendem Therapieerfolg trotz intensivierter Behandlung,
  2. -
    wenn eine Dauertherapie mit oralen Steroiden erforderlich wird,
  3. -
    vorausgegangene Notfallbehandlung,
  4. -
    Begleiterkrankungen (z.B. schweres Asthma bronchiale, symptomatische Herzinsuffizienz, zusätzliche chronische Lungenerkrankungen),
  5. -
    Verdacht auf respiratorische Insuffizienz (z.B. zur Prüfung der Indikation zur Langzeitsauerstofftherapie bzw. intermittierenden häuslichen Beatmung),
  6. -
    Verdacht auf berufsbedingte COPD.


Im Übrigen entscheidet die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

1.6.3 Einweisung in ein Krankenhaus
Indikationen zur stationären Behandlung bestehen insbesondere für Patientinnen und Patienten unter folgenden Bedingungen:

  1. -
    Verdacht auf lebensbedrohliche Exazerbation,
  2. -
    schwere, trotz initialer Behandlung persistierende oder progrediente Verschlechterung,
  3. -
    Verdacht auf schwere pulmonale Infektionen,
  4. -
    Einstellung auf intermittierende häusliche Beatmung.


Darüber hinaus ist eine stationäre Behandlung insbesondere bei auffälliger Verschlechterung oder Neuauftreten von Komplikationen und Folgeerkrankungen (z.B. bei schwerer Herzinsuffizienz, pathologischer Fraktur) zu erwägen.
Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Einweisung.

1.6.4 Veranlassung einer Rehabilitationsleistung
Eine Rehabilitationsleistung ist insbesondere zu erwägen bei ausgeprägten Formen der COPD mit relevanten Krankheitsfolgen trotz adäquater medizinischer Betreuung, insbesondere bei Ausschöpfung der Therapie bei schwierigen und instabilen Verläufen mit schwerer bronchialer Obstruktion, ausgeprägter bronchialer Hyperreagibilität, psychosozialer Belastung und/oder bei schweren medikamentös bedingten Folgekomplikationen (28)(29) .

2. Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 2 der Anlage 1 gelten entsprechend.
Ziel ist es, eine gemeinsame Qualitätssicherung im Rahmen integrierter Versorgungsprogramme speziell fürstrukturierte Behandlungsprogramme aufzubauen, um zu einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung zu kommen. Die insoweit Zuständigen sind gleichberechtigt zu beteiligen. Bis zur Einführung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung gelten die getrennten Zuständigkeiten auch für die strukturierten Behandlungsprogramme.

3. Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die/Der behandelnde Ärztin/Arzt soll prüfen, ob die Diagnose der COPD gesichert ist und ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

3.1 Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen

Die Ausführungen zu Ziffer 3.1 der Anlage 1 gelten entsprechend.

3.2 Spezielle Teilnahmevoraussetzungen

Für die Diagnosestellung im Hinblick auf die Einschreibung ist das Vorliegen einer COPD-typischen Anamnese, Nachweiseiner Reduktion von FEV1 unter 80% des Sollwertes und mindestens eines der folgenden Kriterien erforderlich. Für die Einschreibung berücksichtigte Befunde dürfen nicht älter als zwölf Monate sein.

  1. -
    Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70%
    und
    Zunahme der FEV1 um weniger als 15% und/oder um weniger als 200 ml 10 Minuten nach Inhalation eines kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums oder 30 Minuten nach Inhalation eines kurz wirksamen Anticholinergikums (Bronchodilatator-Reversibilitätstestung).
  2. -
    Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70%
    und
    Zunahme der FEV1 um weniger als 15% und/oder um weniger als 200 ml nach mindestens 14-tägiger Gabe von systemischen Glukokortikosteroiden oder mindestens 28-tägiger Gabe eines inhalativen Glukokortikosteroids in einer stabilen Krankheitsphase (Glukokortikosteroid-Reversibilitätstestung).
  3. -
    Nachweis einer Atemwegswiderstandserhöhung oder einer Lungenüberblähung oder einer Gasaustauschstörung bei Patientinnen und Patienten mit FEV1/VC größer 70% und einer radiologischen Untersuchung der Thoraxorgane, die eine andere die Symptomatik erklärende Krankheit ausgeschlossen hat.


Versicherte unter 18 Jahren können nicht in Teil II (COPD) des strukturierten Behandlungsprogramms eingeschrieben werden.
Eine gleichzeitige Einschreibung in Teil I (Asthma bronchiale) und Teil II (COPD) des strukturierten Behandlungsprogramms ist nicht möglich.

4. Schulungen (§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Krankenkasse informiert Versicherte und Leistungserbringer über Ziele und Inhalte der strukturierten Behandlungsprogramme. Hierbei sind auch die vertraglich vereinbarten Versorgungsziele, Kooperations? und Überweisungsregeln, die zugrunde gelegten Versorgungsaufträge und die geltenden Therapieempfehlungen transparent darzustellen. Die Krankenkasse kann diese Aufgabe an Dritte übertragen.

4.1 Schulungen der Leistungserbringer

Schulungen der Leistungserbringer dienen der Erreichung der vertraglich vereinbarten Versorgungsziele. Die Inhalte der Schulungen zielen auf die vereinbarten Management?Komponenten insbesondere bezüglich der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit ab. Die Vertragspartner definieren Anforderungen an die für die strukturierten Behandlungsprogramme relevante regelmäßige Fortbildung teilnehmender Leistungserbringer. Sie können die dauerhafte Mitwirkung der Leistungserbringer von entsprechenden Teilnahmenachweisen abhängig machen.

4.2 Schulungen der Versicherten

Jede Patientin und jeder Patient mit COPD soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten.
Schulungen der Patientinnen und Patienten dienen der Befähigung der Versicherten zur besseren Bewältigung des Krankheitsverlaufs und zur Befähigung zu informierten Patientenentscheidungen. Hierbei ist der Bezug zu den hinterlegten strukturierten medizinischen Inhalten der Programme nach § 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch herzustellen. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen.
Bei Antragstellung müssen die Schulungsprogramme, die angewandt werden sollen, gegenüber dem Bundesversicherungsamt benannt, die Erfüllung der Umsetzung der unter Ziffer 1.3 genannten Therapieziele belegt werden. Schulungs- und Behandlungsprogramme müssen die individuellen Behandlungspläne berücksichtigen. Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.

5. Evaluation (§ 137f Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 5 der Anlage 1 gelten entsprechend.

Landbo C, Prescott E, lange P, Vestbo J, Almdal TP: Prognostic value of nutritional status in chronic pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 1999; 160: 1856-1861

Schols AM, Soeters PB, Mostert R, Pluymers RJ, Wouters EFM: Physiological effects of nutritional support and anabolic stroids in COPD patients: a placebo controlled randomised trial. Am J Respir Crit Care Med 1995; 152: 126-1274.

Wouters EFM, Schols AMWJ: Nutritional support in chronic respiratory diseases. In: Donner CF, Decraimer M (Ed): Pulmonary Rehabilitation 2000; 5: Monograph 13:111-131.

Whitlock EP, Orleans CT, Pender N, Allen J: Evaluating primary care behavioral counseling interventions: an evidence-based approach. Am J Prev Med 2002; 22(4): 267-284.

West R, McNeill A, aw M: Smoking cessation guidelines for health professionals: an update. Thorax 2000; 55(12): 987-999.

Silagy, C., Stead, LF: Physician advice for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev 2001; 2: CD 000165.

van der Meer RM, Wagena EJ, Ostelo RWJG, Jacobs JE, van Schayck CP: Smoking cessation for chronic obstructive pulmonary disease (Cochrane Review). In: The Cochrane Library, Issue 2 2003. Oxford: Update Software.

Griffiths et al.: Results at one-year of out-patient multidisciplinary pulmonary rehabilitation. Lancet 2000, 355: 362-368.

Garcia-Aymerich J, Farrero E, Felez MA, Izquierdo J, Marrades RM, Anto JM: Risk factors of readmission to hospital for a COPD exacerbation: a prospective study. Thorax 2003; 58(2): 100-05.

Pulmonary Rehabilitation Joint ACCP/AACVPR Evidence-Based Guidelines. Chest 1997; 112(5): 1363-1396.

Cegla UH, Jost JH, Hatten A, Weber T: RC-Cornet(R) improves the bronchodilating effect of lpratropiumbromide (Atrovent(R)) Inhalation in COPDpatients [Article in German]: Pneumologie 2001; 55(10): 465-469.

Cegla UH, Bautz M, Frode G, Werner T [Physlcal therapy In patients with COPD and tracheobronchial instability-comparlson of 2 oscillatlng PEP systems (RC-Cornet, VRP1 Desitin). Results of a randommized prospective study of 90 patients [Article In German]: Pneumologie 1997; 51(2): 129-136.

Bellone A, Spagnolatti L, Massobrio M, Bellet E, Vinciguerra R, Barbieri A, Iori E, Bendinelli S, Nava S: Short-term effects of expiration under positive pressure in patients with acute exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease and mild acidosis requiring non-invasive positive pressure ventilation. Intensive Care Med 2002; 28(5): 581-585.

Wijkstra PJ, Ten Vergert EM, van Altena R, Otten V, Kraan J, Postma DS, Koeter GH: Long term benefits of rehabilitation at home an quality of life and exercise tolerance in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 1995; 50: 824-828.

Minoguchi H, Shibuya M, Miyagawa T, Kokubu F, Yamada M, Tanaka H, Altose MD, Adachi M, Homma I: Cross-over comparison between respiratory muscle stretch gymnastics and inspiratory muscle training. Intern Med 2002; 41(10): 805-812.

SteierJ, Petro W: Physikalische Therapie bei COPD-Evidence based Medicine? Pneumologie 2002; 56: 388-396.

Lacasse Y, Guyatt GH, Goldstein RS: The components of a respiratory rehabilitation program: a systematic overview. Chest 1997; 111: 1077-1088.

Lacasse, Y, L. Brosseau, S. Milne et al.: Pulmonary rehabilitation for chronic obstructive pulmonary disease; The Cochrane Library Issue 1, Oxford 2003.

Devine EC, Pearoy J: Meta-analysis of the effects of psychoeducational care in adults with chronic obstructive pulmonary disease. Patient Educ Couns 1996; 29:167-178.

Donner CF, Muir JF: Rehabilitation and Chronic Care Scientific Group of the European Respiratory Society. Selection criteria and programmes for pulmonary rehabilitation in COPD patients. Eur Respir J 1997;10: 744-757.

ATS Official Statement: Pulmonary Rehabilitation-1999. Am J Respir Crit Care Med 1999; 159: 1666-1682.

Fishman AP: Pulmonary rehabilitation research. Am J Respir Crit Care Med 1994;149: 825-833.

Bergmann KC, Fischer J, Schmitz M, Petermann F, Petro W: (Statement der Sektion Pneumologische Prävention und Rehabilitation). Die stationäre pneumologische Rehabilitation für Erwachsene: Zielsetzung - diagnostische und therapeutische Standards - Forschungsbedarf. Pneumologie 1997; 51: 523-532.

Worth, H, Buhl, R, Cegla, U, Criäe, CP, Gillissen, A, Kardos, P, Köhler, D, Magnussen, H, Meister, R, Nowak, D, Petro W, Rabe KF, Schultze-Werninghaus, G, Sitter, H, Teschler, H, Weite, T, Wettengel, R: Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) Pneumologie 2002; 11.

Calverley P, Pauweis R, Vestbo J et al.: Combined salmeterol and fluticasone in the treatment of chronic obstructive pulmonary disease: a randomised controlled trial. Lancet 2003; 561: 449-456.

Szafranski W, Cukler A, Ramirez G et al.: Efficacy and safety of budesonide/formoterol in the management of chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 2003; 21: 74-81.

Stockley RA, O'Brien C, Pye A et al.: Relationship of sputum colour to nature and outpatient managiment of acute exacerbations of COPD. Chest 2000; 117: 1638-1645.

Griffith TL, Phillips CJ, Davies S et al.: Cost effectiveness of an outpatient multidisciplinary pulmonary rehabilitation programme. Thorax 2001; 56: 779-784.

Griffith TL, Burr ML, Campbell IA et al.: Results at 1 year of outpatient multidisciplinary pulmonary rehäbilitation: a randomised controlled trial. Lancet 2000; 355: 362-368.