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  • ab 01.01.2015 (aktuelle Fassung)

§ 10 ThürVerfSchG - Nachrichtendienstliche Mittel

Bibliographie

Titel
Thüringer Gesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Vorbeugung vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung (Thüringer Verfassungsschutzgesetz - ThürVerfSchG -)
Amtliche Abkürzung
ThürVerfSchG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Thüringen
Gliederungs-Nr.
12-1

(1) Das Amt für Verfassungsschutz darf zur heimlichen Informationsbeschaffung folgende nachrichtendienstliche Mittel anwenden:

  1. 1.

    den Einsatz von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informanten, zum Zwecke der Spionageabwehr überworbenen Agenten, Gewährspersonen und verdeckt eingesetzten Mitarbeitern des Amtes für Verfassungsschutz unter den weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 bis 6,

  2. 2.

    Observationen,

  3. 3.

    Bildaufzeichnungen (fotografieren, videografieren und filmen),

  4. 4.

    verdeckte Ermittlungen und Befragungen zu Personen, Objekten und Sachverhalten, das heißt, ohne dabei den tatsächlichen Zweck der Erhebung anzugeben,

  5. 5.

    das Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel,

  6. 6.

    das Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel,

  7. 7.

    die Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang bestimmten Kanälen sowie die Sichtbarmachung, Beobachtung, Aufzeichnung und Entschlüsselung von Signalen in Kommunikationssystemen,

  8. 8.

    die Verwendung fingierter biographischer, beruflicher oder gewerblicher Angaben (Legenden),

  9. 9.

    die Beschaffung, Erstellung und Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen,

  10. 10.

    die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes,

  11. 11.

    den Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung des Standorts eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgeräts (so genannte IMSI-Catcher).

(2) Beabsichtigt das Amt für Verfassungsschutz, nachrichtendienstliche Mittel gegen ein Mitglied des Landtags einzusetzen, unterrichtet das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium den Präsidenten des Landtags und den Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission unverzüglich. Gleiches gilt, soweit beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere im Rahmen von Anwerbungsmaßnahmen, Personen betroffen sind, deren Mitarbeit Abgeordnete in Ausübung ihres Mandats in Anspruch nehmen.

(3) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist sie über den Verwendungszweck aufzuklären. Die Aufklärungspflicht umfasst bei einer beabsichtigten Übermittlung auch den Empfänger der Daten. Die Aufklärung kann unterbleiben, wenn die Tatsache, dass die Erhebung für Zwecke des Verfassungsschutzes erfolgt, aus besonderen Gründen nicht bekannt werden soll. Die betroffene Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen.

(4) Beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist ein Eingriff in das Beicht- und Seelsorgegeheimnis unzulässig. Darüber hinaus ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, die sich gegen zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger im Sinne der §§ 53 und 53a StPO richten, nur nach Maßgabe des § 160a StPO zulässig. Im Übrigen hat das Amt für Verfassungsschutz von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die die betroffene Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

(5) Längerfristige Observationsmaßnahmen im Sinne des § 163f StPO sind nur zulässig, wenn sie zur Erfüllung einer Aufgabe des Verfassungsschutzes erforderlich sind und eine dafür wesentliche Aufklärung auf andere Weise erheblich erschwert oder entscheidend verzögert würde und die Maßnahme nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht.

(6) Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel allein Kenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist der Einsatz unzulässig. Die Datenerhebung ist, soweit informationstechnisch und ermittlungstechnisch möglich, unverzüglich und so lange wie erforderlich zu unterbrechen, sofern sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Die Auswertung erhobener Daten ist unverzüglich zu unterbrechen, sofern sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Eine weitere Auswertung ist nur dann zulässig, wenn die kernbereichsrelevanten Daten zuvor unter Aufsicht eines von der Auswertung unabhängigen besonders bestellten Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, gelöscht wurden. Ergibt sich zu einem späteren Zeitpunkt, dass die erhobenen Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind, dürfen diese nicht weitergegeben oder verwertet werden. Die Aufzeichnungen sind unter Aufsicht eines Bediensteten nach Satz 5 unverzüglich zu löschen. Bestehen über die Vorgehensweise Zweifel, so ist unverzüglich die Stellungnahme der Stabsstelle Controlling einzuholen; § 2 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.

(7) Beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im Sinne des Absatzes 1 dürfen keine Straftaten begangen werden.

(8) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im Sinne des Absatzes 1 ist fortlaufend zu dokumentieren.