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  • ab 20.01.2024 (aktuelle Fassung)

Anlage VVVG - Prüfraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung

Bibliographie

Titel
Gesetz über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid (VVVG)
Amtliche Abkürzung
VVVG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Sachsen
Gliederungs-Nr.
113-5

(zu § 3a Absatz 3)

  1. I.

    Prüfung der Verhältnismäßigkeit

    1. 1.

      Vor dem Erlass neuer oder der Änderung bestehender Vorschriften, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG unterfallen und den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist die Verhältnismäßigkeit der Vorschrift gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2018/958 zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung in der Begründung des Gesetzentwurfs darzustellen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift stehen.

    2. 2.

      Jede Vorschrift im Sinne der Nummer 1 Satz 1 ist mit einer Begründung zu versehen, die eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Vorschrift ermöglicht. Dabei sind die Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine Vorschrift im Sinne der Nummer 1 Satz 1 verhältnismäßig ist, durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu belegen.

    3. 3.

      Vorschriften im Sinne der Nummer 1 Satz 1 dürfen keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.

    4. 4.

      Vorschriften im Sinne der Nummer 1 Satz 1 müssen durch Ziele des Allgemeininteresses objektiv gerechtfertigt sein; während Gründe, die rein wirtschaftlicher oder verwaltungstechnischer Natur sind, hierbei ausscheiden, kommen insbesondere in Betracht

      1. a)

        die öffentliche Sicherheit und Ordnung,

      2. b)

        die öffentliche Gesundheit,

      3. c)

        die geordnete Rechtspflege,

      4. d)

        der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Dienstleistungsempfängerinnen und Dienstleistungsempfänger,

      5. e)

        der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

      6. f)

        die Lauterkeit des Handelsverkehrs,

      7. g)

        die Betrugsbekämpfung,

      8. h)

        die Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung einschließlich der wirksamen Steueraufsicht,

      9. i)

        der Schutz des geistigen Eigentums,

      10. j)

        der Umweltschutz,

      11. k)

        die Sozialpolitik einschließlich des finanziellen Gleichgewichts der sozialen Sicherungssysteme und

      12. l)

        die Kulturpolitik einschließlich des Schutzes des Kulturerbes.

  2. II.

    Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

    1. 1.

      Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

      1. a)

        die mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere die Risiken für die Dienstleistungsempfängerinnen und Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucherinnen und Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;

      2. b)

        die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;

      3. c)

        die Eignung der Vorschrift zur Erreichung des angestrebten Ziels sowie die Frage, ob sie diesem Ziel in kohärenter und systematischer Weise gerecht wird und somit den Risiken entgegenwirkt, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;

      4. d)

        die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;

      5. e)

        die Möglichkeit des Rückgriffs auf gelindere Mittel zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels; für die Zwecke dieses Buchstabens, wenn die Vorschriften nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen den Berufsangehörigen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, prüfen die Initiatorinnen und Initiatoren insbesondere, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die gelinder sind, als die Tätigkeit vorzubehalten;

      6. f)

        die Wirkung der neuen oder geänderten Vorschrift, wenn sie mit anderen Vorschriften kombiniert wird, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, und insbesondere, wie die neuen oder geänderten Vorschriften kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben im Allgemeininteresse liegenden Ziels beitragen und ob sie hierfür notwendig sind;

      7. g)

        das Ziel der Sicherstellung des hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes bei Vorschriften, die die Reglementierung von Gesundheitsberufen betreffen und Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben.

    2. 2.

      Darüber hinaus sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die folgenden Punkte zu berücksichtigen, wenn dies für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant ist:

      1. a)

        der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Tätigkeit, die von einem Beruf erfasst ist oder die einem Beruf vorbehalten ist, und der erforderlichen Berufsqualifikation;

      2. b)

        der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgabe und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die die Aufgaben wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf das Niveau, die Eigenart und die Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;

      3. c)

        die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;

      4. d)

        die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;

      5. e)

        der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;

      6. f)

        die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen den Berufsangehörigen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.

    3. 3.

      Wird die neue oder geänderte Vorschrift mit anderen Vorschriften kombiniert, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, so ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Vorschrift zu prüfen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, wie die neue oder geänderte Vorschrift in der Kombination mit anderen Anforderungen zur Erreichung desselben im Allgemeininteresse liegenden Ziels beiträgt und ob sie hierfür notwendig ist; dabei ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können. Dies gilt insbesondere für folgende Anforderungen:

      1. a)

        Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnungen und jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne von § 3a Absatz 2 Nummer 1 dieses Gesetzes;

      2. b)

        Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;

      3. c)

        Vorschriften in Bezug auf Berufsorganisationen, Standesregeln und Überwachung;

      4. d)

        Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere, wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation voraussetzen;

      5. e)

        quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, welche die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder die eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Geschäftsführerinnen, Geschäftsführer oder Vertreterinnen oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen;

      6. f)

        Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung eines reglementierten Berufs zusammenhängen;

      7. g)

        geographische Beschränkungen für die Berufsausübung, auch bei unterschiedlichen Reglementierungen innerhalb des Bundesgebiets;

      8. h)

        Beschränkungen bei der gemeinschaftlichen oder partnerschaftlichen Ausübung eines reglementierten Berufs sowie Unvereinbarkeitsregeln;

      9. i)

        Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht;

      10. j)

        Anforderungen an die Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind;

      11. k)

        festgelegte Mindest- und/oder Höchstpreisanforderungen;

      12. l)

        Anforderungen an die Werbung.

    4. 4.

      Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spezifischer Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG eingehalten wird. Zu prüfen ist dabei insbesondere die Verhältnismäßigkeit

      1. a)

        einer automatischen vorübergehenden Eintragung oder einer Pro-Forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG;

      2. b)

        einer vorherigen Meldung gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG;

      3. c)

        der Forderung von Dokumenten gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2005/36/EG oder einer sonstigen gleichwertigen Anforderung;

      4. d)

        der Zahlung von Gebühren oder Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung verlangt werden.

      Die Verpflichtungen nach dieser Nummer gelten nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.