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Art. 25 BayVSG - Informationsübermittlung durch das Landesamt (1)

Bibliographie

Titel
Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG)
Amtliche Abkürzung
BayVSG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Bayern
Gliederungs-Nr.
12-1-I

(1) Das Landesamt darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten, auch wenn sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass der Empfänger die Informationen benötigt

  1. 1.

    zum Schutz der von Art. 3 umfassten Rechtsgüter oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit,

  2. 2.

    für Zwecke der Strafverfolgung, der Strafvollstreckung, des Strafvollzugs und der Gnadenverfahren oder

  3. 3.

    zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben, sofern er dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat, insbesondere

    1. a)

      im Rahmen der Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, mit deren Einwilligung,

    2. b)

      in Ordensverfahren zur Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des Bayerischen Verdienstordens oder

    3. c)

      bei einer im besonderen öffentlichen Interesse liegenden Überprüfung von Personen mit deren Einwilligung.

(1a) Abs. 1 gilt entsprechend für die Übermittlung von Informationen an

  1. 1.

    öffentliche und nicht-öffentliche Stellen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union,

  2. 2.

    zwischen- und überstaatliche Stellen der Europäischen Union oder deren Mitgliedstaaten und

  3. 3.

    öffentliche Stellen von Staaten, welche die Bestimmungen des Schengen-Besitzstandes auf Grund eines Assoziierungsübereinkommens mit der Europäischen Union über die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstandes anwenden.

(2) 1Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, dürfen an die Staatsanwaltschaften, die Finanzbehörden nach § 386 Abs. 1 AO, die Polizeien, die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden, die Behörden des Zollfahndungsdienstes sowie andere Zolldienststellen, soweit diese Aufgaben nach dem Bundespolizeigesetz wahrnehmen, nur übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass der Empfänger die Informationen benötigt

  1. 1.

    zum Schutz des Bestands oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung einer Person oder Sachen, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse geboten ist,

  2. 2.

    zur Verhinderung, sonstigen Verhütung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder

  3. 3.

    wenn der Empfänger die Informationen auch mit eigenen Befugnissen in gleicher Weise hätte erheben können.

2Unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG ist das Landesamt zur Übermittlung verpflichtet.

(3) 1Das Landesamt darf Informationen im Sinne des Abs. 1 auch übermitteln an

  1. 1.

    Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu im Rahmen des Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) in der jeweils geltenden Fassung verpflichtet ist,

  2. 2.

    ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass die Übermittlung zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist, es sei denn, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland stehen der Übermittlung entgegen,

  3. 3.

    nicht-öffentliche Stellen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass dies zum Schutz der von Art. 3 umfassten Rechtsgüter erforderlich ist und das Staatsministerium der Übermittlung zugestimmt hat; die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl von gleichartigen Fällen vorweg erteilt werden.

2Die Übermittlung hat zu unterbleiben, wenn im Einzelfall ein datenschutzrechtlich angemessener und die elementaren Menschenrechte wahrender Umgang mit den Daten beim Empfänger nicht hinreichend gesichert ist.

(4) 1Art. 8b Abs. 2 und 3 bleibt unberührt. 2Der Empfänger darf die Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt worden sind. 3Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und in den Fällen des Abs. 3 darauf hinzuweisen, dass das Landesamt sich vorbehält, um Auskunft über die Verwendung der Daten zu bitten.

(5) Zur Übermittlung nach den Abs. 1 bis 3 ist auch das Staatsministerium befugt; Abs. 4 gilt entsprechend.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 9. Mai 2022 (BGBl. I S. 789)

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    Artikel 15 Absatz 3 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) vom 12. Juli 2016 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 145), das zuletzt durch § 3 des Gesetzes zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2021 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 418) geändert worden ist, verstößt gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und ist nichtig.

  2. 2.

    Artikel 9 Absatz 1 Satz 1, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 12 Absatz 1, Artikel 18 Absatz 1, Artikel 19 Absatz 1, Artikel 19a Absatz 1, Artikel 25 Absatz 1 Nummer 1 2. Alternative, Artikel 25 Absatz 1 Nummer 3, Artikel 25 Absatz 1a, Artikel 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Nummer 3, Artikel 25 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2, Artikel 8b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Artikel 8b Absatz 3 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 13 Absatz 1 und 4 des Grundgesetzes nicht vereinbar.

  3. 3.

    Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Juli 2023, gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit den folgenden Maßgaben fort:

    Maßnahmen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 und gemäß Artikel 10 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz dürfen nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse geboten ist, ergriffen werden und nur dann, wenn geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut ansonsten nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Dabei ist Artikel 8a Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz mit der Maßgabe der widerleglichen Vermutung anzuwenden, dass Erkenntnisse, die bei einer Wohnraumüberwachung gewonnen werden, den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen.

    Auf der Grundlage von Artikel 12 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz dürfen technische Mittel nicht so eingesetzt werden, dass die Bewegungen des Mobilfunkendgeräts einer beobachteten Person über einen längeren Zeitraum hinweg nachverfolgt werden.

    Eine Maßnahme nach Artikel 18 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz oder nach Artikel 19 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz ist nach höchstens sechs Monaten zu beenden, wenn sie nicht zur Erforschung einer Bestrebung unerlässlich ist, die auf die Begehung besonders schwerer Straftaten gerichtet ist, welche die in § 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 2954), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts vom 5. Juli 2021 (Bundesgesetzblatt I Seite 2274), genannten Schutzgüter gefährden. Ist der Einsatz gezielt gegen bestimmte Personen gerichtet, ist Artikel 19a Absatz 2 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz entsprechend anzuwenden.

    Auf der Grundlage von Artikel 19a Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz dürfen technische Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen und zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes nur dann verdeckt eingesetzt werden, wenn dies zur Erforschung einer Bestrebung unerlässlich ist, die auf die Begehung besonders schwerer Straftaten gerichtet ist, welche die in § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz genannten Schutzgüter gefährden und die weiteren gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.

    Eine Übermittlung von mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangten personenbezogenen Daten und Informationen gemäß Artikel 25 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz ist nur zum Schutz eines Rechtsguts von herausragendem öffentlichem Interesse zulässig; dem entspricht eine Begrenzung auf besonders schwere Straftaten. Außerdem müssen die nach Maßgabe der Urteilsgründe an den jeweiligen Übermittlungsanlass zu stellenden Anforderungen erfüllt sein.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.