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Anlage IngG LSA - Analyseraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung und Maßnahmen zur Beteiligung der Öffentlichkeit, des Monitorings und zur Transparenz

Bibliographie

Titel
Ingenieurgesetz Sachsen-Anhalt (IngG LSA). 
Amtliche Abkürzung
IngG LSA
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Sachsen-Anhalt
Gliederungs-Nr.
702.12

(zu § 16b Abs. 2 Satz 1)

Teil 1
Analyseraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen

Abschnitt 1
Prüfung der Verhältnismäßigkeit

  1. 1.

    Vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Vorschriften, die im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30. 9. 2005, S. 22; L 271 vom 16. 10. 2007, S. 18; L 93 vom 4. 4. 2008, S. 28; L 33 vom 3. 2. 2009, S. 49; L 305 vom 24. 10. 2014, S. 115), zuletzt geändert durch Delegierten Beschluss (EU) 2019/608 (ABl. L 104 vom 15. 4. 2019, S. 1), den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den folgenden Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung steht im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift.

  2. 1a.

    Für die Zwecke des § 16b und dieses Analyserasters gelten die Begriffsbestimmungen aus § 3 des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes Sachsen-Anhalt.

  3. 1b.

    Für die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

    1. a)

      "geschützte Berufsbezeichnung" bezeichnet eine Form der Reglementierung eines Berufs, bei der die Verwendung einer Bezeichnung bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit oder einer Gruppe von beruflichen Tätigkeiten aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften unmittelbar oder mittelbar dem Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation unterliegt und bei einer missbräuchlichen Verwendung dieser Bezeichnung Sanktionen verhängt werden.

    2. b)

      "vorbehaltene Tätigkeit" bedeutet eine Form der Reglementierung eines Berufs, bei der der Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit oder einer Gruppe von beruflichen Tätigkeiten aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften unmittelbar oder mittelbar Angehörigen eines reglementierten Berufs, die Inhaber einer bestimmten Berufsqualifikation sind, vorbehalten wird, und zwar auch dann, wenn diese Tätigkeit mit den anderen Berufen geteilt wird.

  4. 2.

    Jede Vorschrift im Sinne von Nummer 1 ist mit einer Erläuterung zu versehen, die ausführlich genug ist, um eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermöglichen.

  5. 3.

    Die Gründe, aus denen hervorgeht, dass eine Vorschrift gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.

  6. 4.

    Vorschriften im Sinne von Nummer 1 dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen und müssen durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Hierzu gehören maßgeblich die Ziele,

    1. a)

      der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere

      1. aa)

        der Gewährleistung der geordneten Rechtspflege und der Lauterbarkeit des Handelsverkehrs sowie der Betrugsbekämpfung,

      2. bb)

        der Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung sowie der Sicherstellung einer wirksamen Steueraufsicht,

      3. cc)

        der Verkehrssicherheit,

    2. b)

      der öffentlichen Gesundheit,

    3. c)

      des Natur- und Umweltschutzes sowie der Tiergesundheit,

    4. d)

      des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Dienstleistungsempfänger,

    5. e)

      des Schutzes der Arbeitnehmer,

    6. f)

      der Sozialpolitik, insbesondere des Schutzes des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherung,

    7. g)

      des Schutzes des geistigen Eigentums,

    8. h)

      des Schutzes und der Erhaltung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes,

    9. i)

      der Kulturpolitik.

  7. 5.

    Gründe, die ausschließlich wirtschaftlicher oder verwaltungstechnischer Natur sind, stellen keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Beschränkung des Zugangs zu reglementierten Berufen oder ihrer Ausübung rechtfertigen können.

Abschnitt 2
Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

  1. 1.

    Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind sämtliche der folgenden Punkte zu berücksichtigen:

    1. a)

      die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;

    2. b)

      die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa die Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;

    3. c)

      die Eignung der Vorschriften hinsichtlich ihrer Angemessenheit zur Erreichung des angestrebten Ziels und ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht werden und somit den Risiken entgegenwirken, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;

    4. d)

      die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;

    5. e)

      die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Vorschrift nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt ist und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen den Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist im Sinne dieses Buchstabens zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind als die Maßnahme, die Tätigkeiten vorzubehalten.

  2. 2.

    Darüber hinaus sind bei der Prüfung die folgenden Elemente zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind:

    1. a)

      den Zusammenhang zwischen dem Umfang der von einem Beruf erfassten oder einem Beruf vorbehaltenen Tätigkeiten und der erforderlichen Berufsqualifikation;

    2. b)

      den Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die sie wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf Niveau, Eigenart und Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;

    3. c)

      die Möglichkeit zum Erlangen der beruflichen Qualifikation auf alternativen Wegen;

    4. d)

      die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;

    5. e)

      den Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;

    6. f)

      die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.

  3. 3.

    Wird die neue oder geänderte Vorschrift mit einer oder mehreren, insbesondere den folgenden Anforderungen kombiniert, so ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Vorschrift zu prüfen, insbesondere, wie die neue oder geänderte Vorschrift kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben legitimen Zwecks beiträgt und ob sie hierfür notwendig ist:

    1. a)

      Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnung oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG;

    2. b)

      Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;

    3. c)

      Vorschriften in Bezug auf Berufsorganisation, Standesregeln und Überwachung;

    4. d)

      Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation voraussetzen;

    5. e)

      quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, die die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmer, Geschäftsführer oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen;

    6. f)

      Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung des reglementierten Berufs zusammenhängen;

    7. g)

      geografische Beschränkungen, einschließlich dann, wenn der Beruf in Teilen eines Mitgliedstaates in einer Weise reglementiert ist, die sich von der Reglementierung in anderen Teilen unterscheidet;

    8. h)

      Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufs beschränken, sowie Unvereinbarkeitsregeln;

    9. i)

      Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht;

    10. j)

      Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind;

    11. k)

      festgelegte Mindestanforderungen, Höchstpreisanforderungen oder beides;

    12. l)

      Anforderungen an die Werbung.

  4. 4.

    Zusätzlich ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn spezifische Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG, einschließlich der folgenden Anforderungen, neu eingeführt oder geändert werden:

    1. a)

      eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-Forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG;

    2. b)

      eine vorherige Meldung gemäß Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die gemäß Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Dokumente oder eine sonstige gleichwertige Anforderung;

    3. c)

      die Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung gefordert werden.

    Diese Verpflichtung nach Satz 1 gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.

Teil 2
Maßnahmen zur Beteiligung der Öffentlichkeit, des Monitorings und der Transparenz

Abschnitt 1
Information und Beteiligung der Öffentlichkeit

  1. 1.

    Entwürfe von Vorschriften, mit denen neue Berufsreglementierungen eingeführt oder bestehende Berufsreglementierungen im Sinne von Teil 1 Abschn. 1 Nr. 1 geändert werden sollen, sind in das Internet einzustellen.

  2. 2.

    Die Einstellung in das Internet ist im Hinblick auf den Zeitpunkt und die sonstigen Umstände der Veröffentlichung so auszugestalten, dass alle betroffenen Parteien in geeigneter Weise einbezogen werden und Gelegenheit haben, ihren Standpunkt darzulegen.

  3. 3.

    Öffentliche Konsultationen sind durchzuführen, soweit dies relevant und angemessen ist.

Abschnitt 2
Monitoring

Nach dem Erlass oder der Änderung von Vorschriften nach Teil 1 Abschn. 1 Nr. 1 hat die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt die Übereinstimmung der Vorschriften mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und Entwicklungen, die nach dem Erlass im betreffenden Bereich des reglementierten Berufs festgestellt werden, gebührend zu berücksichtigen.

In der Begründung zu einem Vorschriftenentwurf muss durch die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt festgelegt werden, wie der Verpflichtung zur Überwachung (Monitoring) praktisch nachgekommen werden soll.

Abschnitt 3
Transparenz durch Eintragung in die Datenbank für reglementierte Berufe, Stellungnahmen

  1. 1.

    Die Gründe für die Beurteilung von Vorschriften in Satzungen, die nach diesem Analyseraster geprüft wurden und die der Europäischen Kommission nach Artikel 59 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36/EG mitzuteilen sind, als gerechtfertigt, notwendig und verhältnismäßig sind von der Aufsichtsbehörde in der in Artikel 59 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG genannten Reglementierte Berufe Datenbank REGPROF der Europäischen Kommission einzugeben. Diese Aufgabe kann gemäß § 16b Abs. 4 Satz 2 auf eine andere Stelle übertragen werden.

  2. 2.

    Zu den Eintragungen vorgebrachte Stellungnahmen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sonstiger Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz sowie interessierter Kreise sind von der Aufsichtsbehörde entgegenzunehmen.