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  • ab 19.03.2024 (aktuelle Fassung)

Anlage 2 SächsIngG - Prüfraster für die Verhältnismäßigkeitsprüfung

Bibliographie

Titel
Sächsisches Ingenieurgesetz (SächsIngG)
Amtliche Abkürzung
SächsIngG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Sachsen
Gliederungs-Nr.
604-1/2

(zu § 22a Absatz 2)

  1. I.

    Prüfung für die Verhältnismäßigkeitsprüfung

    1. 1.

      Vor dem Erlass neuer oder der Änderung bestehender Vorschriften, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/35/EG unterfallen und den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den nachfolgenden Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift stehen.

    2. 2.

      Jede Vorschrift im Sinne der Nummer 1 ist mit einer Erläuterung zu versehen, die so ausführlich ist, dass eine Bewertung in Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ermöglicht wird.

    3. 3.

      Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass eine Vorschrift im Sinne der Nummer 1 gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.

    4. 4.

      Vorschriften im Sinne der Nummer 1 dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen.

    5. 5.

      Vorschriften im Sinne der Nummer 1 müssen durch Ziele des Allgemeininteresses im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein und dürfen nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgehen.

  2. II.

    Durchführung oder Verhältnismäßigkeitsprüfung

    1. 1.

      Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

      1. a)

        die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere die Risiken für die Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;

      2. b)

        die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen;

      3. c)

        die Eignung der Vorschrift zur Erreichung des angestrebten Ziels sowie die Frage, ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht wird und somit den Risiken entgegenwirkt, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;

      4. d)

        die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;

      5. e)

        die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Vorschrift nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt ist und sich die identifizierbaren Risiken auf das Verhältnis zwischen der oder dem Berufsangehörigen und der Verbraucherin oder dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist im Sinne dieses Buchstabens insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind als die Maßnahme, die Tätigkeit vorzubehalten;

      6. f)

        die Wirkung der neuen oder geänderten Vorschrift, wenn sie mit anderen Vorschriften kombiniert werden, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränkt, und insbesondere, wie die neuen oder geänderten Vorschriften kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben im Allgemeininteresses liegenden Ziels beitragen und ob sie hierfür notwendig sind.

    2. 2.

      Darüber hinaus sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die folgenden Punkte zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Satzungsvorschrift relevant sind:

      1. a)

        der Zusammenhang zwischen dem Umfang der Tätigkeiten, die von einem Beruf erfasst sind oder die einem Beruf vorbehalten sind, und der erforderlichen Berufsqualifikation;

      2. b)

        der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die die Aufgaben wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf das Niveau, die Eigenart und die Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;

      3. c)

        die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;

      4. d)

        die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können;

      5. e)

        der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;

      6. f)

        die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen den Berufsangehörigen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.

    3. 3.

      Wird die neue oder geänderten Satzungsvorschrift mit einer oder mehreren der folgenden Anforderungen kombiniert, so ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Vorschrift zu prüfen, insbesondere ist zu prüfen, wie die neue oder geänderte Vorschrift kombiniert mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben legitimen Zwecks beiträgt und ob sie hierfür notwendig ist; dabei ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können. Dabei sind insbesondere folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

      1. a)

        Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnungen oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG;

      2. b)

        Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;

      3. c)

        Vorschriften in Bezug auf Berufsorganisationen, Standesregeln und Überwachung;

      4. d)

        Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere, wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation voraussetzen;

      5. e)

        quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen an die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder die eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer oder Vertreterinnen oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen;

      6. f)

        Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung eines reglementierten Berufs zusammenhängen;

      7. g)

        geographische Beschränkungen, auch dann, wenn der Beruf in Teilen der Bundesrepublik Deutschland in einer Weise reglementiert ist, der sich von Reglementierungen in anderen Teilen unterscheidet;

      8. h)

        Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufs beschränken, sowie Unvereinbarkeitsregeln;

      9. i)

        Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht;

      10. j)

        Anforderungen an die Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind;

      11. k)

        festgelegte Mindest- und/oder Höchstpreisanforderungen;

      12. l)

        Anforderungen an die Werbung.

    4. 4.

      Zusätzlich ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG spezifische Anforderungen einschließlich folgender Anforderungen neu eingeführt oder geändert werden:

      1. a)

        eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG;

      2. b)

        eine vorherige Meldung gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die Meldung von gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2005/36/EG geforderten Dokumenten oder eine sonstige gleichwertige Anforderung;

      3. c)

        der Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung gefordert werden.

Dies gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die im Einklang mit dem Unionsrecht angewendet werden, gewährleistet werden soll.