§ 45a ThürKO - Ortschaften, Ortschaftsbürgermeister, Ortschaftsrat
Bibliographie
- Titel
- Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung - ThürKO -)
- Amtliche Abkürzung
- ThürKO
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Thüringen
- Gliederungs-Nr.
- 2020-4
(1) Die Landgemeinde hat durch Regelung in der Hauptsatzung für die Ortsteile die Ortschaftsverfassung einzuführen. Mehrere benachbarte Ortsteile können gemeinsam eine Ortschaftsverfassung erhalten. In jedem Ortsteil mit Ortschaftsverfassung (Ortschaft) wird ein Ortschaftsrat für die Dauer der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats gebildet. Auf Vorschlag der Ortschaft kann die Ortschaftsverfassung frühestens zum Ende der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderates bis zur Festsetzung des Wahltermins aufgehoben oder geändert werden. Die Ortschaftsverfassung kann für einzelne Ortschaften, außer auf Vorschlag der Ortschaft selbst, nur wieder aufgehoben werden, wenn für die Dauer der gesetzlichen Amtszeit kein Ortschaftsrat gebildet wird. Der Beschluss zur Aufhebung der Ortschaftsverfassung bedarf der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Gemeinderatsmitglieder.
(2) Der Ortschaftsrat besteht aus dem Ortschaftsbürgermeister und den Ortschaftsratsmitgliedern. Der Ortschaftsbürgermeister ist Vorsitzender des Ortschaftsrats. Der Ortschaftsrat wählt aus seiner Mitte einen oder mehrere Stellvertreter des Ortschaftsbürgermeisters. Die §§ 34 bis 42 gelten entsprechend.
(3) Die Ortschaftsratsmitglieder werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl für die Dauer der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats gewählt. Sie sind ehrenamtlich tätig. Die Zahl der Ortschaftsratsmitglieder beträgt in Ortschaften
mit bis zu | 500 Einwohnern | 4, |
---|---|---|
mit mehr als | 500 bis zu 1.000 Einwohnern | 6, |
mit mehr als | 1.000 bis zu 2.000 Einwohnern | 8, |
mit mehr als | 2.000 Einwohnern | 10. |
Werden weniger Bewerber zugelassen als Ortschaftsratsmitglieder zu wählen sind oder nehmen weniger gewählte Personen die Wahl als Ortschaftsratsmitglied an, verringert sich die Zahl der Ortschaftsratsmitglieder nach Satz 3 entsprechend. Dies gilt auch, wenn nach dem Ausscheiden eines Ortschaftsratsmitglieds der Sitz für den Rest der Amtszeit unbesetzt bleibt. Das Nähere zum Wahlverfahren bestimmt die Hauptsatzung der Landgemeinde. Werden keine Ortschaftsratsmitglieder gewählt oder nehmen die gewählten Personen die Wahl nicht an, hat der Ortschaftsbürgermeister die Befugnisse des Ortschaftsrats.
(4) Der Ortschaftsbürgermeister ist Ehrenbeamter der Gemeinde und wird nach den für die Wahl des ehrenamtlichen Bürgermeisters geltenden Bestimmungen des Thüringer Kommunalwahlgesetzes für die Dauer der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats gewählt. Wird ein Ortschaftsbürgermeister nicht gewählt oder nimmt die gewählte Person die Wahl nicht an, wählt der Ortschaftsrat den Ortschaftsbürgermeister aus seiner Mitte. Für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl des Ortschaftsbürgermeisters in einer mit Beginn der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats eingeführten oder geänderten Ortschaft gilt die Einführung oder Änderung der Ortschaftsverfassung als zum Zeitpunkt der Wahl bereits eingetreten. Für die Abwahl des Ortschaftsbürgermeisters gilt § 28 Abs. 6 entsprechend. Wird ein Ortschaftsbürgermeister aus der Mitte des Ortschaftsrats nicht gewählt oder nimmt die gewählte Person die Wahl nicht an oder scheiden der Ortschaftsbürgermeister und sein Stellvertreter vor Ablauf ihrer Amtszeit vorzeitig aus ihren Ämtern aus und können diese Ämter bis zum Ablauf der Amtszeit des Ortschaftsrats nicht neu besetzt werden, nehmen der Bürgermeister der Landgemeinde und sein Stellvertreter die Aufgaben des Ortschaftsbürgermeisters und seines Stellvertreters bis zum Ablauf der Amtszeit des Ortschaftsrats wahr. Der Ortschaftsbürgermeister hat das Recht, beratend an allen die Belange der Ortschaft betreffenden Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse teilzunehmen und entsprechende Anträge zu stellen. Er ist hierzu wie ein Gemeinderatsmitglied zu laden.
(5) Der Ortschaftsrat berät über die Angelegenheiten der Ortschaft. Der Ortschaftsrat kann in allen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, Empfehlungen und Vorschläge unterbreiten. Diese müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten von dem für die Entscheidung zuständigen Organ der Landgemeinde behandelt werden. Über das Ergebnis der Behandlung ist der Ortschaftsrat zu unterrichten. Der Ortschaftsrat ist in allen wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten rechtzeitig vor der Entscheidung des zuständigen Organs der Landgemeinde zu hören. Dem Ortschaftsrat ist eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu geben, insbesondere vor Beginn der Beratungen zum Entwurf der Haushaltssatzung der Landgemeinde sowie der Nachtragshaushaltssatzungen und zu baurechtlichen Satzungen und Planungen. Folgt das für die Entscheidung zuständige Organ der Gemeinde der Empfehlung, dem Vorschlag oder der Stellungnahme des Ortschaftsrats nicht, sind dem Ortschaftsrat die Gründe darzulegen. Ist aufgrund der Eilbedürftigkeit der Entscheidung eine Anhörung des Ortschaftsrats nicht möglich, sind diesem die Gründe für die Eilbedürftigkeit und die Art der Erledigung unverzüglich mitzuteilen.
(6) Der Ortschaftsrat entscheidet über folgende Angelegenheiten der Ortschaft:
- 1.
Verwendung der der Ortschaft für kulturelle, sportliche und soziale Zwecke zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel,
- 2.
Pflege und Durchführung von Veranstaltungen des Brauchtums, der Heimatpflege und der kulturellen Tradition, Förderung und Entwicklung des kulturellen Lebens, Unterstützung der Vereine, Verbände und sonstigen Vereinigungen in der Ortschaft, insbesondere der Ortsfeuerwehr,
- 3.
Benennung und Umbenennung der im Gebiet der Ortschaft dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze und Brücken sowie der öffentlichen Einrichtungen; bei Doppelbenennungen mit Verwechslungsgefahr entscheidet der Gemeinderat im Benehmen mit dem Ortschaftsrat,
- 4.
Festlegung der Reihenfolge der Arbeiten zum Um- und Ausbau sowie zur Unterhaltung und Instandsetzung von Straßen, Wegen und Plätzen einschließlich der Beleuchtungsanlagen, der Parkanlagen und Grünflächen,
- 5.
Pflege des Ortsbildes sowie Unterhaltung und Ausgestaltung von öffentlichen Park- und Grünanlagen, deren Bedeutung nicht über die Ortschaft hinausgeht,
- 6.
Teilnahme an Wettbewerben zur Dorfentwicklung und -verschönerung,
- 7.
Pflege von Partner- und Patenschaften,
- 8.
Information, Dokumentation und Repräsentation in Ortschaftsangelegenheiten,
- 9.
Benutzung, Unterhaltung und Ausstattung der in der Ortschaft gelegenen öffentlichen Kinderspielplätze, der Freizeitangebote für junge Menschen, Sporteinrichtungen, Büchereien, Dorfgemeinschaftshäuser, Heimatmuseen und Einrichtungen des Bestattungswesens,
- 10.
Wahl oder Vorschlag von ehrenamtlich tätigen Personen, soweit sich dieses Ehrenamt auf die Ortschaft beschränkt und der Landgemeinde diese Rechte zustehen.
(7) Der Ortschaftsrat unterbreitet Vorschläge zu:
- 1.
der Auflösung der Ortsteile und Ortschaften, der Einteilung der Gemeinde in Ortsteile und Ortschaften, deren Benennung sowie der Änderung der Einteilung und der Benennung, jeweils soweit die Ortschaft betroffen ist,
- 2.
wesentlichen Änderungen der Zuständigkeiten des Ortschaftsrats durch die Hauptsatzung,
- 3.
dem Erlass, der Änderung oder Aufhebung einer die Ortschaft betreffenden Gestaltungssatzung,
- 4.
dem Erlass, der Änderung oder Aufhebung eines die Ortschaft betreffenden Bebauungsplans,
- 5.
dem Aus- und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Ortschaft, soweit nicht der Ortschaftsrat nach Absatz 6 Nr. 4 entscheidet,
- 6.
der Planung und Durchführung von Investitionsvorhaben,
- 7.
der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu Bauvorhaben im Gebiet der Ortschaft,
- 8.
der Planung, Errichtung, Übernahme, wesentlichen Änderung und Schließung von öffentlichen Einrichtungen in der Ortschaft,
- 9.
der Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von Grundvermögen der Landgemeinde in der Ortschaft,
- 10.
beabsichtigten Veranstaltungen und Märkten in der Ortschaft,
- 11.
dem Abschluss neuer Partner- und Patenschaften der Landgemeinde,
- 12.
der Aufstellung der Vorschlagsliste für Schöffen,
- 13.
der Wahl oder Berufung von ehrenamtlich tätigen Personen, soweit sich dieses Ehrenamt auf die Ortschaft beschränkt, der Landgemeinde diese Rechte zustehen und nicht der Ortschaftsrat nach Absatz 6 Nr. 10 entscheidet,
- 14.
der Einrichtung einer Schiedsstelle, die den Bereich der Ortschaft umfasst, und Wahl der Schiedsperson für diese Schiedsstelle.
(8) Durch die Hauptsatzung können dem Ortschaftsrat über die in den Absätzen 6 und 7 genannten Aufgaben hinaus weitere Aufgaben zur Beratung und Entscheidung übertragen werden. Aufgaben nach § 26 Abs. 2 dürfen nicht übertragen werden.
(9) Die Landgemeinde hat der Ortschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben finanzielle Mittel im angemessenen Umfang in der Haushaltssatzung zur Verfügung zu stellen. Sofern der Gemeinderat keine abweichende Festsetzung beschließt, entspricht ab Beginn des Haushaltsjahres 2019 die Höhe dieser finanziellen Mittel fünf Euro je Einwohner in der Ortschaft zum 31. Dezember des jeweiligen Haushaltsvorvorjahres. Ab Beginn des Haushaltsjahres 2020 verändert sich der in Satz 2 genannte Betrag jährlich nach Maßgabe der im Gesetz- und Verordnungsblatt des Freistaats Thüringen veröffentlichten Preisentwicklungsrate nach § 26 Abs. 3 Thür- AbgG in der jeweils geltenden Fassung; es ist auf den zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Haushaltssatzung aktuellsten im Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen veröffentlichten Wert abzustellen. Die für die Erfüllung der Aufgaben der Ortschaften veranschlagten Haushaltsansätze sind nach § 16 Abs. 2 der Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung (ThürGemHV) für jede einzelne Ortschaft zu Budgets zu verbinden. Führt die Landgemeinde ihre Haushaltswirtschaft nach den Regelungen des Neuen Kommunalen Finanzwesens, erfolgt die Budgetierung in einem Teilhaushalt der Landgemeinde. Die Höhe des Budgets wird im Benehmen mit den Ortschaften vom Gemeinderat der Landgemeinde im Haushaltsplan festgelegt.
(10) Die Entscheidungen des Ortschaftsrats dürfen dem Zusammenwachsen der Landgemeinde nicht entgegenwirken und den Gesamtbelangen der Landgemeinde nicht widersprechen. Sie müssen die gesetzlichen Aufgaben und Zuständigkeiten, die planerischen Entscheidungen sowie das Ortsrecht einschließlich der Haushaltssatzung der Landgemeinde beachten. Entscheidungen des Ortschaftsrats, die nicht den Anforderungen nach Satz 1 entsprechen, können durch den Gemeinderat mit der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder geändert oder aufgehoben werden. Der Vollzug der Entscheidungen des Ortschaftsrats obliegt dem Bürgermeister der Landgemeinde. Hält der Bürgermeister eine Entscheidung des Ortschaftsrats für rechtswidrig, so hat er ihren Vollzug auszusetzen und sie in der nächsten Sitzung des Ortschaftsrats, die innerhalb eines Monats nach der Entscheidung stattfinden muss, gegenüber dem Ortschaftsrat zu beanstanden. Verbleibt der Ortschaftsrat bei seiner Entscheidung, so hat der Bürgermeister unverzüglich die Rechtsaufsichtsbehörde zu unterrichten. Gegen die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde kann die Ortschaft Klage bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 VwGO entfällt.
(11) Im Fall der Bildung oder Erweiterung einer Landgemeinde während der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats ist mit Wirksamwerden der Bestandsänderung der Gemeinden für den Rest der gesetzlichen Amtszeit und die folgende gesetzliche Amtszeit des Gemeinderats für das Gebiet der aufgelösten Gemeinde die Ortschaftsverfassung eingeführt; Absatz 1 Satz 4 bis 6 bleibt unberührt. Der bisherige Bürgermeister der aufgelösten Gemeinde ist für die Dauer seiner verbleibenden Amtszeit unter Berufung in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter zum Ortschaftsbürgermeister zu ernennen. Die Ernennung erfolgt durch die oberste Dienstbehörde. Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des § 26 ThürKWG in der jeweils geltenden Fassung unberührt. Abweichend von § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürAufEVO darf die Aufwandsentschädigung für den Ortschaftsbürgermeister für die Dauer seiner verbleibenden Amtszeit nach Satz 2 bis zum monatlichen Höchstbetrag festgesetzt werden. Die bisherigen Gemeinderatsmitglieder sind für den Rest der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats die Ortschaftsratsmitglieder. Eine Wahl nach Absatz 3 Satz 1 findet nicht statt; Absatz 3 Satz 3 findet keine Anwendung. § 12 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt. Nimmt kein bisheriges Gemeinderatsmitglied das Amt des Ortschaftsratsmitglieds an, hat der Ortschaftsbürgermeister bis zum Ende der gesetzlichen Amtszeit des Gemeinderats die Befugnisse des Ortschaftsrats.
(12) Im Falle der freiwilligen Bildung oder Erweiterung einer Landgemeinde können die Gemeinden beantragen, dass Absatz 11 mit Wirksamwerden der Bestandsänderung nicht zur Anwendung kommen soll; eine entsprechende Regelung erfolgt im Neugliederungsgesetz. Im Neugliederungsgesetz wird ebenfalls die Frist zur Anpassung des Ortsrechts geregelt.