§ 5 BtMVV - Substitution, Verschreiben von Substitutionsmitteln

Bibliographie

Titel
Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV)
Amtliche Abkürzung
BtMVV
Normtyp
Rechtsverordnung
Normgeber
Bund
Gliederungs-Nr.
2121-6-24-4

(1) 1Substitution im Sinne dieser Verordnung ist die Anwendung eines Substitutionsmittels. 2Substitutionsmittel im Sinne dieser Verordnung sind ärztlich verschriebene Betäubungsmittel, die bei einem opioidabhängigen Patienten im Rahmen eines Therapiekonzeptes zur medizinischen Behandlung einer Abhängigkeit, die durch den Missbrauch von erlaubt erworbenen oder durch den Missbrauch von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden begründet ist, angewendet werden.

(2) 1Im Rahmen der ärztlichen Therapie soll eine Opioidabstinenz des Patienten angestrebt werden. 2Wesentliche Ziele der Substitution sind dabei insbesondere

  1. 1.

    die Sicherstellung des Überlebens,

  2. 2.

    die Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,

  3. 3.

    die Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden,

  4. 4.

    die Unterstützung der Behandlung von Begleiterkrankungen oder

  5. 5.

    die Verringerung der durch die Opioidabhängigkeit bedingten Risiken während einer Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt.

(3) 1Ein Arzt darf einem Patienten Substitutionsmittel unter den Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes verschreiben, wenn er die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation erfüllt, die von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgelegt werden (suchtmedizinisch qualifizierter Arzt). 2Zudem muss er die Meldeverpflichtungen nach § 5b Absatz 2 erfüllen.

(4) 1Erfüllt der Arzt nicht die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation nach Absatz 3 Satz 1 (suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt), muss er zusätzlich zu der Voraussetzung nach Absatz 3 Satz 2

  1. 1.

    sich zu Beginn der Behandlungmit einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt abstimmen sowie

  2. 2.

    sicherstellen, dass sich sein Patient zu Beginn der Behandlung und mindestens einmal in jedem Quartal dem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt nach Nummer 1 im Rahmen einer Konsiliarbehandlung vorstellt.

2Ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt darf gleichzeitig höchstens zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandeln. 3Er darf keine Behandlung nach § 5a durchführen.

(5) 1Im Vertretungsfall soll der substituierende Arzt von einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt vertreten werden. 2Gelingt es dem substituierenden Arzt nicht, einen Vertreter nach Satz 1 zu bestellen, so kann er von einem suchtmedizinisch nicht qualifizierten Arzt vertreten werden. 3In diesem Fall darf die Vertretung einen zusammenhängenden Zeitraum von bis zu vier Wochen und höchstens insgesamt zwölf Wochen im Jahr umfassen. 4Der Vertreter hat sich mit dem zu vertretenden Arzt grundsätzlich vor Beginn des Vertretungsfalles abzustimmen. 5Notfallentscheidungen bleiben in allen Vertretungsfällen unberührt. 6Der Vertreter fügt den Schriftwechsel sowie die sonstigen Aufzeichnungen zwischen den an der Vertretung beteiligten Ärzten der Dokumentation nach Absatz 11 bei. 7Der Vertreter nach Satz 2 darf im Rahmen seiner Vertretung keine Behandlung nach § 5a durchführen.

(6) 1Als Substitutionsmittel im Sinne von Absatz 1 darf der substituierende Arzt nur Folgendes verschreiben:

  1. 1.

    ein zur Substitution zugelassenes Arzneimittel, das nicht den Stoff Diamorphin enthält,

  2. 2.

    eine Zubereitung von Levomethadon, von Methadon oder von Buprenorphin oder

  3. 3.

    in begründeten Ausnahmefällen eine Zubereitung von Codein oder Dihydrocodein.

2Die in Satz 1 genannten Substitutionsmittel dürfen nicht zur intravenösen Anwendung bestimmt sein. 3Die Verschreibung eines in Satz 1 genannten Substitutionsmittels ist mit dem Buchstaben "S" zu kennzeichnen. 4Für die zur Substitution zugelassenen Arzneimittel mit dem Stoff Diamorphin gilt § 5a.

(7) 1Dem Patienten ist das vom Arzt verschriebene Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch von den in Absatz 10 Satz 1 und 2 bezeichneten Personen oder dem dort bezeichneten Personal in den in Absatz 10 Satz 1 und 2 genannten Einrichtungen zu überlassen. 2Im Fall des Verschreibens von Codein oder Dihydrocodein kann dem Patienten nach der Überlassung jeweils einer Dosis zum unmittelbaren Verbrauch die für einen Tag zusätzlich benötigte Menge des Substitutionsmittels in abgeteilten Einzeldosen ausgehändigt und ihm die eigenverantwortliche Einnahme gestattet werden, sofern dem Arzt keine Anhaltspunkte für eine nicht bestimmungsgemäße Einnahme des Substitutionsmittels vorliegen.

(8) 1Abweichend von Absatz 7 Satz 1 darf der substituierende Arzt dem Patienten das Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme gemäß den Feststellungen der Bundesärztekammer nach Absatz 12 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b ausnahmsweise dann verschreiben, wenn

  1. 1.

    die Kontinuität der Substitutionsbehandlung des Patienten nicht anderweitig gewährleistet werden kann,

  2. 2.

    der Verlauf der Behandlung dies zulässt,

  3. 3.

    Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung so weit wie möglich ausgeschlossen sind und

  4. 4.

    die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden.

2In diesem Fall darf das Substitutionsmittel nur in folgenden Mengen verschrieben werden:

  1. 1.

    in der für bis zu zwei aufeinanderfolgende Tage benötigten Menge oder

  2. 2.

    in der Menge, die benötigt wird für die Wochenendtage Samstag und Sonntag und für dem Wochenende vorangehende oder folgende Feiertage, auch einschließlich eines dazwischen liegenden Werktages, höchstens jedoch in der für fünf Tage benötigten Menge.

3Der substituierende Arzt darf dem Patienten innerhalb einer Kalenderwoche nicht mehr als eine Verschreibung aushändigen. 4Er darf die Verschreibung nur im Rahmen einer persönlichen Konsultation aushändigen. 5Die Verschreibung ist nach dem Buchstaben "S" zusätzlich mit dem Buchstaben "Z" zu kennzeichnen.

(9) 1Sobald und solange der substituierende Arzt zu dem Ergebnis kommt, dass eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nach Absatz 7 nicht mehr erforderlich ist, darf er dem Patienten Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme gemäß den Feststellungen der Bundesärztekammer nach Absatz 12 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b in folgenden Mengen verschreiben:

  1. 1.

    grundsätzlich in der für bis zu sieben Tage benötigten Menge oder

  2. 2.

    in begründeten Einzelfällen in der für bis zu 30 Tage benötigten Menge.

2Ein Einzelfall nach Satz 1 Nummer 2 kann durch einen medizinischen oder einen anderen Sachverhalt begründet sein. 3Ein durch einen anderen Sachverhalt begründeter Einzelfall liegt vor, wenn der Patient aus wichtigen Gründen, die seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder seine Erwerbstätigkeit betreffen, darauf angewiesen ist, eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme für bis zu 30 Tage zu erhalten. 4Der Patient hat dem Substitutionsarzt diese Sachverhalte glaubhaft zu machen. 5Medizinische Sachverhalte, die einen Einzelfall begründen, werden im Rahmen von Absatz 12 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b durch die Bundesärztekammer festgestellt. 6Der substituierende Arzt darf die Verschreibung nach Satz 1 Nummer 1 und 2 nur im Rahmen einer persönlichen Konsultation an den Patienten aushändigen. 7Die Verschreibung ist nach dem Buchstaben "S" zusätzlich mit dem Buchstaben "T" zu kennzeichnen. 8Der substituierende Arzt kann patientenindividuelle Zeitpunkte festlegen, an denen Teilmengen des verschriebenen Substitutionsmittels in der Apotheke an den Patienten oder an die Praxis des substituierenden Arztes abgegeben oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden sollen.

(10) 1Substitutionsmittel nach Absatz 6 Satz 1 dürfen dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch nur überlassen werden von

  1. 1.

    dem substituierenden Arzt in der Einrichtung, in der er ärztlich tätig ist,

  2. 2.

    dem vom substituierenden Arzt in der Einrichtung nach Nummer 1 eingesetzten medizinischen Personal oder

  3. 3.

    dem medizinischen, pharmazeutischen oder pflegerischen Personal in

    1. a)

      einer stationären Einrichtung der medizinischen Rehabilitation,

    2. b)

      einem Gesundheitsamt,

    3. c)

      einem Alten- oder Pflegeheim,

    4. d)

      einem Hospiz oder

    5. e)

      einer anderen geeigneten Einrichtung, die zu diesem Zweck von der zuständigen Landesbehörde anerkannt sein muss,

    sofern der substituierende Arzt nicht selber in der jeweiligen Einrichtung tätig ist und er mit der jeweiligen Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat.

2Außerdem darf ein Substitutionsmittel nach Absatz 6 Satz 1 dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden

  1. 1.

    bei einem Hausbesuch

    1. a)

      vom substituierenden Arzt oder dem von ihm eingesetzten medizinischen Personal oder

    2. b)

      vom medizinischen oder pflegerischen Personal, das von einem ambulanten Pflegedienst oder von einer Einrichtung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung eingesetzt wird, sofern der substituierende Arzt für diesen Pflegedienst oder diese Einrichtung nicht selber tätig ist und er mit diesem Pflegedienst oder dieser Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat,

  2. 2.

    in einer Apotheke von dem Apotheker oder von dem dort eingesetzten pharmazeutischen Personal, sofern der substituierende Arzt mit dem Apotheker eine Vereinbarung getroffen hat,

  3. 3.

    in einem Krankenhaus von dem dort eingesetzten medizinischen oder pflegerischen Personal, sofern der substituierende Arzt für dieses Krankenhaus nicht selber tätig ist und er mit dem Krankenhaus eine Vereinbarung getroffen hat, oder

  4. 4.

    in einer staatlich anerkannten Einrichtung der Suchtkrankenhilfe von dem dort eingesetzten und dafür ausgebildeten Personal, sofern der substituierende Arzt für diese Einrichtung nicht selber tätig ist und er mit der Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat.

3Der substituierende Arzt hat sicherzustellen, dass das Personal nach den Sätzen 1 und 2 fachgerecht in das Überlassen des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch eingewiesen wird. 4Die Vereinbarung nach den Sätzen 1 und 2 hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen und muss bestimmen, wie das eingesetzte Personal einer Einrichtung nach den Sätzen 1 und 2 fachlich eingewiesen wird und muss daneben mindestens eine verantwortliche Person in der jeweiligen Einrichtung benennen sowie Regelungen über die Kontrollmöglichkeiten durch den substituierenden Arzt enthalten. 5Der substituierende Arzt darf die benötigten Substitutionsmittel in den in den Sätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen unter seiner Verantwortung lagern. 6Die Einwilligung des über die jeweiligen Räumlichkeiten Verfügungsberechtigten bleibt unberührt.

(11) 1Der substituierende Arzt hat die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 10 sowie nach § 5a Absatz 1 bis 4 und § 5b Absatz 2 und 4 gemäß den von der Bundesärztekammer nach Absatz 12 Satz 3 bestimmten Anforderungen zu dokumentieren. 2Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde zur Einsicht und Auswertung vorzulegen oder einzusenden.

(12) 1Die Bundesärztekammer stellt den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution in einer Richtlinie fest, insbesondere für

  1. 1.

    die Ziele der Substitution nach Absatz 2,

  2. 2.

    die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung einer Substitution nach Absatz 1 Satz 1,

  3. 3.

    die Erstellung eines Therapiekonzeptes nach Absatz 1 Satz 2, insbesondere

    1. a)

      die Auswahl des Substitutionsmittels nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 6,

    2. b)

      die Voraussetzungen für das Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme nach den Absätzen 8 und 9,

    3. c)

      die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Einbeziehung psychosozialer Betreuungsmaßnahmen sowie

    4. d)

      die Bewertung und Kontrolle des Therapieverlaufs.

2Daneben kann die Bundesärztekammer nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft weitere als die in Absatz 2 Satz 2 bezeichneten wesentliche Ziele der Substitution in dieser Richtlinie feststellen. 3Sie bestimmt auch die Anforderungen an die Dokumentation der Substitution nach Absatz 11 Satz 1 in dieser Richtlinie. 4Die Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn und soweit die Feststellungen nach den Sätzen 1 und 2 beachtet worden sind.

(13) 1Vor der Entscheidung der Bundesärztekammer über die Richtlinie nach Absatz 12 Satz 1 bis 3 ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution zu geben. 2Die Stellungnahme ist von der Bundesärztekammer in ihre Entscheidung über die Richtlinie nach Absatz 12 Satz 1 bis 3 einzubeziehen.

(14) 1Die Bundesärztekammer hat dem Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinie nach Absatz 12 Satz 1 bis 3 zur Genehmigung vorzulegen. 2Änderungen der vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigten Richtlinie sind dem Bundesministerium für Gesundheit von der Bundesärztekammer ebenfalls zur Genehmigung vorzulegen. 3Das Bundesministerium für Gesundheit kann von der Bundesärztekammer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern. 4Das Bundesministerium für Gesundheit macht die genehmigte Richtlinie und genehmigte Änderungen der Richtlinie im Bundesanzeiger bekannt.

(15) Die Absätze 3 bis 11 sind entsprechend anzuwenden, wenn das Substitutionsmittel aus dem Bestand des Praxis- oder Stationsbedarfs zum unmittelbaren Verbrauch überlassen oder nach Absatz 7 Satz 2 ausgehändigt wird.