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  • ab 31.10.2024 (aktuelle Fassung)

Anlage 1 HeilBerG M-V - Kriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen

Bibliographie

Titel
Heilberufsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (HeilBerG M-V)
Amtliche Abkürzung
HeilBerG M-V
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Mecklenburg-Vorpommern
Gliederungs-Nr.
2122-1

(zu § 23 Absatz 2b Satz 1)

I. Begriffsbestimmungen

Im Rahmen dieser Anlage bezeichnen die Begriffe

  1. 1.

    "reglementierter Beruf" eine berufliche Tätigkeit oder eine Gruppe beruflicher Tätigkeiten, bei der die Aufnahme, die Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist; eine Art der Ausübung ist insbesondere die Führung einer geschützten Berufsbezeichnung, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen beschränkt ist, die eine bestimmte Berufsqualifikation besitzen;

  2. 2.

    "Berufsqualifikation" eine Qualifikation, die durch einen Ausbildungsnachweis, durch einen Befähigungsnachweis im Sinne des Artikels 11 Buchstabe a Ziffer i der Richtlinie 2005/36/EG oder durch Berufserfahrung nachgewiesen wird;

  3. 3.

    "geschützte Berufsbezeichnung" eine Form der Reglementierung eines Berufes, bei der die Verwendung einer Bezeichnung bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit oder einer Gruppe von beruflichen Tätigkeiten aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften unmittelbar oder mittelbar an den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation gebunden ist und bei der bei einer missbräuchlichen Verwendung der Bezeichnung Sanktionen verhängt werden;

  4. 4.

    "vorbehaltene Tätigkeit" eine Form der Reglementierung eines Berufes, bei der der Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit oder einer Gruppe von beruflichen Tätigkeiten aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften unmittelbar oder mittelbar Angehörigen eines reglementierten Berufes vorbehalten wird, die eine bestimmte Berufsqualifikation besitzen, und zwar auch dann, wenn diese Tätigkeit mit anderen reglementierten Berufen geteilt wird.

II. Eine Vorschrift im Sinne des § 23 Absatz 2a Satz 2

  1. 1.

    darf weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes darstellen;

  2. 2.

    muss durch zwingende Ziele des Allgemeininteresses objektiv gerechtfertigt sein, während Gründe, die rein wirtschaftlicher oder verwaltungstechnischer Natur sind, ausscheiden; hierbei kommen insbesondere in Betracht

    1. a)

      die öffentliche Sicherheit und Ordnung,

    2. b)

      die öffentliche Gesundheit,

    3. c)

      die geordnete Rechtspflege,

    4. d)

      der Schutz der Verbraucher und der sonstigen Dienstleistungsempfänger,

    5. e)

      der Schutz der Arbeitnehmer,

    6. f)

      die Lauterkeit des Handelsverkehrs,

    7. g)

      die Betrugsbekämpfung,

    8. h)

      die Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung einschließlich der wirksamen Steueraufsicht,

    9. i)

      der Schutz des geistigen Eigentums,

    10. j)

      der Umweltschutz,

    11. k)

      die Sozialpolitik einschließlich des finanziellen Gleichgewichts der sozialen Sicherungssysteme und

    12. l)

      die Kulturpolitik einschließlich des Schutzes des Kulturerbes;

  3. 3.

    muss für die Verwirklichung des angestrebten Zieles geeignet sein und darf nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen; hierbei sind zu berücksichtigen

    1. a)

      die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte;

    2. b)

      die Eignung bereits bestehender spezifischer oder allgemeiner Regelungen, beispielsweise solcher auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, das angestrebte Ziel zu erreichen;

    3. c)

      die Eignung der Vorschrift, das angestrebte Ziel kohärent und systematisch zu erreichen, wobei insbesondere zu beachten ist, wie Risiken entgegengewirkt werden soll, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden;

    4. d)

      die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, den anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz;

    5. e)

      die Auswirkungen auf die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und sonstigen Dienstleistungsempfänger;

    6. f)

      die Auswirkungen auf die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen;

    7. g)

      die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Zieles auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; hierbei ist in dem Fall, in dem die Vorschrift nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt ist und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, insbesondere zu prüfen, ob mildere Mittel in Betracht kommen, als eine Tätigkeit einem reglementierten Beruf vorzubehalten;

    8. h)

      die positiven oder negativen Auswirkungen der neuen oder geänderten Vorschrift, wenn sie mit anderen Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, kombiniert wird, wobei insbesondere zu prüfen ist, wie die Vorschrift in der Kombination mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben, im Allgemeininteresse liegenden Zieles beiträgt und ob sie hierfür notwendig ist; dies gilt insbesondere für folgende Anforderungen:

      1. aa)

        Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnungen und sonstige Formen reglementierter Berufe;

      2. bb)

        Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung;

      3. cc)

        Vorschriften zur Berufsorganisation, zu Standesregeln und zur Aufsicht;

      4. dd)

        Pflichtmitgliedschaften in einer Berufsorganisation sowie Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, und zwar insbesondere, wenn diese den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation implizieren;

      5. ee)

        quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, die die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufes begrenzen oder eine Mindest- oder Höchstzahl derjenigen Arbeitnehmer, Geschäftsführer oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen müssen oder dürfen;

      6. ff)

        Anforderungen an bestimmte Rechtsformen, zu Beteiligungsstrukturen oder zur Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese unmittelbar mit der Ausübung des reglementierten Berufes zusammenhängen;

      7. gg)

        geografische Beschränkungen, einschließlich solcher Bestimmungen, die den Beruf in einigen Teilen der Bundesrepublik Deutschland in anderer Weise reglementieren als in anderen Teilen;

      8. hh)

        Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufes beschränken;

      9. ii)

        Unvereinbarkeitsregeln;

      10. jj)

        Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht;

      11. kk)

        Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufes erforderlich sind;

      12. ll)

        Mindest- und/oder Höchstpreisanforderungen;

      13. mm)

        Anforderungen an die Werbung;

    9. i)

      folgende Elemente, wenn dies für die Art und den Inhalt der neuen oder geänderten Vorschrift relevant ist:

      1. aa)

        der Zusammenhang zwischen dem Umfang der von einem reglementierten Beruf erfassten oder ihm vorbehaltenen Tätigkeiten und der erforderlichen Berufsqualifikation;

      2. bb)

        der Zusammenhang zwischen der Komplexität der betroffenen Aufgaben und der Notwendigkeit einer bestimmten Berufsqualifikation der sie wahrnehmenden Personen, insbesondere in Bezug auf das Niveau, die Eigenart und die Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung;

      3. cc)

        die Möglichkeit, die berufliche Qualifikation auf alternativen Wegen zu erlangen;

      4. dd)

        die Eignung der einem bestimmten Beruf vorbehaltenen Tätigkeiten, mit anderen Berufen geteilt werden zu können;

      5. ee)

        der Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufes und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Zieles, insbesondere, wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen;

      6. ff)

        die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbrauchern tatsächlich verringern oder verstärken können.

  4. 4.

    muss, soweit sie spezifische Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG enthält, insbesondere auch im Hinblick auf diese Anforderungen verhältnismäßig sein, es sei denn, dass es sich um Maßnahmen handelt, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden; die Verhältnismäßigkeitsprüfung umfasst vor allem

    1. a)

      automatische vorübergehende Eintragungen oder Pro-forma-Mitgliedschaften bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG;

    2. b)

      vorherige Meldungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die gemäß Absatz 2 des genannten Artikels erforderlichen Dokumente und sonstige gleichwertige Anforderungen;

    3. c)

      Gebühren und Entgelte, die vom Dienstleistungserbringer für Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung gefordert werden;

  5. 5.

    muss, soweit sie die Reglementierung eines Berufes des Gesundheitswesens betrifft und Auswirkungen auf die Patientensicherheit hat, insbesondere das Ziel der Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus berücksichtigen.