HVSG,HE - Hessisches Verfassungsschutzgesetz

Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG)

Bibliographie

Titel
Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG)
Amtliche Abkürzung
HVSG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Hessen
Gliederungs-Nr.
18-7

in der Fassung vom 12. Juli 2023 (GVBl. S. 614) (1)(2)

INHALTSÜBERSICHT§§
ERSTER TEIL
Organisation und Aufgaben des Landesamts
Organisation des Landesamts1
Aufgaben des Landesamts2
Begriffsbestimmungen3
ZWEITER TEIL
Befugnisse des Landesamts
Informationserhebung4
Informationserhebung mit nachrichtendienstlichen Mitteln5
Gerichtliche Kontrolle5a
Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs und der Telekommunikation6
Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung7
Verfahren bei Maßnahmen nach § 78
Ortung von Mobilfunkendgeräten9
Besondere Auskunftsersuchen10
Observation11
Verdeckte Mitarbeiterinnen und Verdeckte Mitarbeiter12
Vertrauensleute13
Schranken nachrichtendienstlicher Mittel14
DRITTER TEIL
Verarbeitung personenbezogener Daten
Geltung datenschutzrechtlicher Vorschriften15
Speicherung, Berichtigung, Löschung und Verarbeitungseinschränkung16
Zweckbindung17
Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an das Landesamt18
Informationsübermittlung durch das Landesamt an übergeordnete Behörden und Aufklärung der Öffentlichkeit19
Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt an andere Stellen19a
Informationsübermittlung durch das Landesamt an Polizeibehörden sowie zum Einsatz operativer Zwangsbefugnisse20
Informationsübermittlung durch das Landesamt an Strafverfolgungsbehörden20a
Informationsübermittlung an sonstige inländische öffentliche Stellen20b
Informationsübermittlung durch das Landesamt an öffentliche Stellen zu arbeits- und dienstrechtlichen Zwecken20c
Informationsübermittlung durch das Landesamt an ausländische öffentliche Stellen21
Informationsübermittlung durch das Landesamt an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs22
Übermittlungsverbote23
Minderjährigenschutz24
Nachberichtspflicht25
Auskunft26
Dateianordnungen27
VIERTER TEIL
Schlussvorschriften
Einschränkung von Grundrechten28
Aufhebung bisherigen Rechts29
Inkrafttreten30

PRÄAMBEL

Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Er ist Dienstleister der Demokratie und hält insbesondere die analytischen Kompetenzen zur Beurteilung jener Gefahren vor, die Demokratie und Menschenrechten durch extremistische Bestrebungen drohen. Er tauscht sich mit Wissenschaft und Gesellschaft aus. Hierzu gehört auch der öffentliche Diskurs. Er berücksichtigt gesellschaftliche Vielfalt und gesellschaftliche Entwicklungen.

Bekanntmachung der Neufassung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes *(2)

Vom 20. Juli 2023 (GVBl. S. 614)

Aufgrund des Art. 8a des Gesetzes zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften und zur Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei vom 29. Juni 2023 (GVBl. S. 456) wird nachstehend der Wortlaut des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes in der vom 12. Juli 2023 an geltenden Fassung bekannt gemacht.

FFN 18-7

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts *)

Vom 19. September 2024 (GVBl. 2024 Nr. 53)

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2024 - 1 BvR 2133/22 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    § 20a Satz 1 Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG) in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes vom 20. Juli 2023 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Seite 614) verstößt, soweit er auf § 20a Satz 3 Hessisches Verfassungsschutzgesetz Bezug nimmt, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes und ist nichtig.

  2. 2.
  3. 3.

    Bis zu einer Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2025 gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit folgenden Maßgaben fort:

    1. a)

      Technische Mittel nach § 9 Absatz 1 Nummer 2 Hessisches Verfassungsschutzgesetz dürfen, soweit kein Fall des § 9 Absatz 2 Hessisches Verfassungsschutzgesetz vorliegt, nur zur punktuellen und nicht längerfristigen Nachverfolgung der Bewegungen des Mobilfunkendgerätes einer beobachteten Person eingesetzt werden.

    2. b)
    3. c)

      Für besondere Auskunftsersuchen nach § 10 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Hessisches Verfassungsschutzgesetz in Verbindung mit § 2 Absatz 2 Nummern 2 bis 5 Hessisches Verfassungsschutzgesetz sowie nach § 10 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, Satz 2 Nummern 1 und 2 Hessisches Verfassungsschutzgesetz müssen auch tatsächliche Anhaltpunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass die Schutzgüter des Verfassungsschutzes konkret bedroht sind und dass das gegen sie gerichtete Handeln erfolgreich sein kann.

    4. d)

      Die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangter personenbezogener Daten nach § 20b Absatz 2 Hessisches Verfassungsschutzgesetz an inländische öffentliche Stellen, die über operative Anschlussbefugnisse verfügen, ist nur zulässig, wenn eine mindestens konkretisierte Gefahr vorliegt.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.

Zu FFN 18-7

§§ 1 - 3, ERSTER TEIL - Organisation und Aufgaben des Landesamts

§ 1 HVSG - Organisation des Landesamts

Bibliographie

Titel
Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG)
Amtliche Abkürzung
HVSG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Hessen
Gliederungs-Nr.
18-7

(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz (Landesamt) untersteht als obere Landesbehörde dem für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium. Es darf mit Polizeidienststellen organisatorisch nicht verbunden werden.

(2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen in Hessen nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt tätig werden. Das Landesamt darf in anderen Ländern nur tätig werden, soweit die Rechtsvorschriften der anderen Länder dies zulassen.

§ 2 HVSG - Aufgaben des Landesamts

Bibliographie

Titel
Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG)
Amtliche Abkürzung
HVSG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Hessen
Gliederungs-Nr.
18-7

(1) Das Landesamt ist zuständig für die Zusammenarbeit Hessens mit dem Bund und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Aufgabe des Landesamts ist es, es den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. Das Landesamt hat auch die Aufgabe, den in Abs. 2 genannten Bestrebungen und Tätigkeiten durch Information, Aufklärung und Beratung entgegenzuwirken und vorzubeugen (Prävention). Zur Aufklärung der Öffentlichkeit erstellt das Landesamt mindestens einmal jährlich einen Bericht über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Abs. 2 oder tatsächliche Anhaltspunkte hierfür. Der Bericht wird von dem für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium herausgegeben und auf der Internetseite des Landesamts für fünf Jahre bereitgestellt.

(2) Aufgabe des Landesamts ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über

  1. 1.

    Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben,

  2. 2.

    sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht,

  3. 3.

    Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

  4. 4.

    Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), gerichtet sind,

  5. 5.

    Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes.

(3) Das Landesamt wirkt mit bei Sicherheitsüberprüfungen und Überprüfungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2632).

(4) Das Landesamt ist zuständig für Sicherheitsüberprüfungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2998), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 2274).

§ 3 HVSG - Begriffsbestimmungen

Bibliographie

Titel
Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG)
Amtliche Abkürzung
HVSG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Hessen
Gliederungs-Nr.
18-7

(1) Die Begriffsbestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 4 sowie Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes finden Anwendung.

(2) Erheblich beobachtungsbedürftig sind Tätigkeiten nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 oder solche Bestrebungen, die allgemein, insbesondere nach Verhaltens- oder Wirkungsweise, geeignet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes erheblich zu beeinträchtigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Bestrebungen

  1. 1.

    zur Zielverfolgung

    1. a)

      Gewalt anwenden, androhen, fördern oder befürworten,

    2. b)

      zu Hass oder Willkürmaßnahmen anstacheln oder

    3. c)

      andere Straftaten begehen oder darauf gerichtet sind,

  2. 2.

    verdeckt vorgehen, insbesondere Ziele, Organisation, Finanzierung, Beteiligte, Zusammenarbeit oder Aktionen in wesentlichem Umfang verschleiern,

  3. 3.

    erhebliche gesellschaftliche Bedeutung besitzen, insbesondere unter Berücksichtigung der Anzahl der Beteiligten, deren Mobilisierungsfähigkeit, der Finanzkraft sowie der Aktionsfähigkeit oder

  4. 4.

    in erheblichem Umfang gesellschaftlichen Einfluss auszuüben suchen, insbesondere durch

    1. a)

      Vertretung in Ämtern und Mandaten,

    2. b)

      wirkungsbreite Publikationen, Bündnisse, Unterstützerstrukturen,

    3. c)

      systematische Desinformationen in öffentlichen Prozessen politischer Willensbildung oder zur Verächtlichmachung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, auch durch systematische Verunglimpfung ihrer Institutionen und Repräsentanten, oder

    4. d)

      Herbeiführung einer Atmosphäre der Angst oder Bedrohung zur Förderung ihrer Zielverfolgung.

(3) Voraussetzung für die Einstufung gemäß Abs. 2 ist, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Sachverhalte nach Abs. 2 Satz 1 vorliegen. Die Beobachtungsbedürftigkeit ist jährlich zu überprüfen. Die Einstufung der Beobachtungsbedürftigkeit nach Abs. 2 Satz 1 entfällt in der Regel, wenn nach fünf Jahren kein die Einstufung nach Abs. 2 Satz 2 begründender Sachverhalt hinreichend festgestellt ist oder eine fünf Jahre zurückliegende Feststellung sich zwischenzeitlich nicht neuerlich bestätigt hat. Wird im Rahmen der Überprüfung nach Satz 2 festgestellt, dass ein Sachverhalt nach Abs. 2 Satz 1, der einer bereits richterlich angeordneten Maßnahme zugrunde liegt, zwischenzeitlich entfallen ist, so ist die betreffende Maßnahme zu beenden, auch wenn die Frist der richterlichen Anordnung noch nicht abgelaufen ist.

(4) Organisierte Kriminalität im Sinne dieses Gesetzes ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden

  1. 1.

    unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,

  2. 2.

    unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohung oder

  3. 3.

    unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft.