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§ 34b PAG - Umgangsverbot mit personenbezogenen Daten aus der Telekommunikationsüberwachung, Mitwirkungspflichten der Diensteanbieter, Unterrichtung des Landtags (1)

Bibliographie

Titel
Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Amtliche Abkürzung
PAG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Thüringen
Gliederungs-Nr.
2012-2

(1) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Maßnahme nach § 34a allein Kenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist sie unzulässig. Soweit im Rahmen der Maßnahmen neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, gilt für die Unterbrechung der Maßnahme § 35 Abs. 6 entsprechend.

(2) Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach § 34a erlangt worden sind, dürfen nicht verwendet oder verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen. Absatz 3 findet auf diese Daten keine Anwendung.

(3) Die durch eine Maßnahme nach § 34a erlangten personenbezogenen Daten,

  1. 1.

    deren Verwendung zu den nach § 39 genannten Zwecken nicht erforderlich ist oder

  2. 2.

    für die ein Verwendungs- und Verwertungsverbot besteht,

sind zu sperren, wenn sie zum Zweck der Information der Betroffenen nach § 34 Abs. 9 Satz 3 und zur gerichtlichen Überprüfung der Erhebung oder Verwendung der Daten noch benötigt werden; andernfalls sind sie unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen. Diese Daten dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle genutzt werden und sind zu löschen, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich sind, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Erfassung folgt.

(4) Beruht die Anordnung für eine Datenerhebung auf § 34a Abs. 1, hat jeder, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), die Umsetzung der Maßnahme zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des § 34a Abs. 4 auch einen Betreiber, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dazu verpflichten, die Kommunikationsverbindungen zu unterbrechen oder zu verhindern. Ob und in welchem Umfang der nach § 34a Abs. 1 oder 4 Verpflichtete Vorkehrungen für die technische oder organisatorische Umsetzung der Überwachungsmaßnahme zu treffen hat, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikationsüberwachungsverordnung.

(5) Bei einer Maßnahme nach § 34a Abs. 2 Satz 2 ist technisch sicherzustellen, dass

  1. 1.

    an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Erfassung und Ausleitung von Sprachsignalen am Audiosystem unerlässlich sind, und

  2. 2.

    die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.

Das eingesetzte Programm ist nach dem Stand der Wissenschaft und Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Die überwachte und aufgezeichnete Telekommunikation ist nach dem Stand der Wissenschaft und Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei einer Maßnahme nach § 34a Abs. 2 sind zum Zwecke der Datenschutzkontrolle und der Beweissicherung entsprechend des Einsatzmittels

  1. 1.

    die Bezeichnung der technischen Erfassungsanlage, Ort und der Zeitpunkt des Einsatzes,

  2. 2.

    die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,

  3. 3.

    die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und

  4. 4.

    die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt,

zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden, um dem Betroffenen oder einer dazu befugten öffentlichen Stelle die Prüfung zu ermöglichen, ob die Maßnahme nach § 34a Abs. 2 rechtmäßig durchgeführt worden ist. Sie sind bis zum Ablauf des auf die Speicherung folgenden Kalenderjahres aufzubewahren und sodann zu löschen, es sei denn, dass sie für den in Satz 2 genannten Zweck erforderlich sind.

(7) Die Polizei hat denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, für ihre bei der Durchführung der Maßnahmen nach § 34a erhaltenen Leistungen eine angemessene Entschädigung zu gewähren, deren Umfang sich nach § 23 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes bemisst.

(8) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach § 34a Abs. 1 bis 4 durchgeführten Maßnahmen.

Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs

Vom 14. Dezember 2012 (GVBl. S. 482)

Aus dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 21. November 2012 - VerfGH 19/09 - werden die Nummern 1 und 2 der Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    Unvereinbar nach Maßgabe der Gründe sind von den Vorschriften des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes vom 4. Juni 1992 (GVBl. S. 199) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung sicherheits- und verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 16. Juli 2008 (GVBl. S. 245) und in der Fassung späterer Gesetze:

  2. 2.

    Die Vorschriften dürfen bis zu ihrer Neuregelung nach Maßgabe der Gründe weiter angewandt werden. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 30. September 2013 eine Neuregelung zu treffen.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 25 Abs. 2 des Thüringer Verfassungsgerichthofsgesetzes Gesetzeskraft.