§ 85 GemO - Grundsätze

Bibliographie

Titel
Gemeindeordnung (GemO)
Amtliche Abkürzung
GemO
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Rheinland-Pfalz
Gliederungs-Nr.
2020-1

(1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn

  1. 1.
    der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
  2. 2.
    das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und dem voraussichtlichen Bedarf steht und
  3. 3.
    bei einem Tätigwerden außerhalb der Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wärme (Energieversorgung), der Versorgung mit Wasser, der Versorgung mit Breitbandtelekommunikation und des öffentlichen Personennahverkehrs der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens im Bereich Energieversorgung wird stets durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt und ist abweichend von Satz 1 Nr. 2 zulässig, wenn das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Satz 2 gilt nicht für die künftige Beteiligung eines wirtschaftlichen Unternehmens der Gemeinde an Anlagen zur Energieerzeugung aus fossilen Energieträgern und Kernbrennstoffen. Davon ausgenommen sind erdgasbasierte Kraftwerke als hocheffiziente GuD-Anlagen, im Rahmen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) oder als Erzeuger von Regel- und Ausgleichsenergie für einen stabilen Betrieb des elektrischen Netzes.

(2) Die Betätigung eines wirtschaftlichen Unternehmens der Gemeinde außerhalb des Gemeindegebiets ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen aller hiervon unmittelbar betroffenen Gemeinden gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas gelten ausschließlich die Interessen als berechtigt, die nach den Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen.

(2a) Die Beteiligung eines wirtschaftlichen Unternehmens der Gemeinde an Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland errichtet werden oder bestehen, bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Sie ist zulässig, wenn ein öffentlicher Zweck die Beteiligung rechtfertigt und sie in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht.

(3) Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Überschuss für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dies mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist. Die Erträge jedes Unternehmens sollen mindestens so hoch sein, dass

  1. 1.
    alle Aufwendungen und kalkulatorischen Kosten gedeckt werden,
  2. 2.
    die Zuführungen zum Eigenkapital (Rücklagen) ermöglicht werden, die zur Erhaltung des Vermögens des Unternehmens sowie zu seiner technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung notwendig sind, und
  3. 3.
    eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erzielt wird.

Zu den Aufwendungen im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 gehören auch die Steuern, die Konzessionsabgaben und die Zinsen für Fremdkapital. Lieferungen und Leistungen von anderen Unternehmen und Verwaltungszweigen der Gemeinde an das Unternehmen sowie Lieferungen und Leistungen des Unternehmens an andere Unternehmen und Verwaltungszweige der Gemeinde sind angemessen zu vergüten.

(4) Wirtschaftliche Unternehmen im Sinne der Absätze 1 bis 3 sind nicht Einrichtungen, die überwiegend folgenden Zwecken zu dienen bestimmt sind;

  1. 1.
    Erziehung, Bildung und Kultur,
  2. 2.
    Sport und Erholung,
  3. 3.
    Sozial- und Jugendhilfe,
  4. 4.
    Gesundheitswesen,
  5. 5.
    Umweltschutz,
  6. 6.
    Wohnungswesen und Stadtentwicklung sowie
  7. 7.
    Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde.

Auch diese Einrichtungen sind, soweit es mit ihrem öffentlichen Zweck vereinbar ist, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten.

(5) Bankunternehmen darf die Gemeinde nicht errichten. Für öffentliche Sparkassen gilt das Sparkassengesetz.

(6) Die Gemeinde kann durch Satzung, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf, juristischen Personen des Privatrechts, an denen ausschließlich sie und andere kommunale Körperschaften beteiligt sind, das Recht verleihen, bei der Erfüllung von einzelnen Selbstverwaltungsaufgaben an ihrer Stelle tätig zu werden, wenn Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen. Der Beliehene ist insoweit an Stelle der Gemeinde Behörde im Sinne von § 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes. Er hat das Recht, auf Grund von Satzungen der Gemeinde Verwaltungsakte zu erlassen, insbesondere auch den Anschluss- und Benutzungszwang durchzusetzen, sowie öffentlich-rechtliche Entgelte zu erheben. Bei Erlass von Verwaltungsakten ist auf die Rechtsverleihung besonders hinzuweisen. Der Hinweis darauf im ersten Bescheid genügt. Über den Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt des Beliehenen entscheidet der Kreisrechtsausschuss, sofern die beleihende Gemeinde eine kreisfreie oder große kreisangehörige Stadt ist, der Stadtrechtsausschuss. Auf den Beliehenen finden die Bestimmungen des 6. Kapitels über die Staatsaufsicht entsprechende Anwendung. Das fachlich zuständige Ministerium kann darüber hinaus, wenn Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen, juristischen Personen des Privatrechts, die in ausschließlicher Trägerschaft von kommunalen Spitzenverbänden stehen, das Recht verleihen, bei der Wahrnehmung von Aufgaben der kommunalen Datenverarbeitung anstelle der Gemeinden tätig zu werden, die hierzu ihr Einvernehmen erteilen.

(7) Bei wirtschaftlichen Unternehmen und Einrichtungen, für die kein Wettbewerb gleichartiger Privatunternehmen besteht, dürfen der Anschluss und die Belieferung nicht davon abhängig gemacht werden, dass auch andere Leistungen oder Lieferungen abgenommen werden.