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§ 78 SVVollzG NRW - Zwangsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

Bibliographie

Titel
Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in Nordrhein-Westfalen (Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - SVVollzG NRW)
Amtliche Abkürzung
SVVollzG NRW
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Nordrhein-Westfalen
Gliederungs-Nr.
46

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind gegen den natürlichen Willen der Untergebrachten nur bei gegenwärtiger Lebensgefahr sowie gegenwärtiger schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der Untergebrachten oder anderer Personen zulässig, wenn die oder der Untergebrachte zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist. Maßnahmen nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn

  1. 1.

    erfolglos versucht worden ist, die Zustimmung der Untergebrachten zu der Maßnahme zu erwirken,

  2. 2.

    die Anordnung der Maßnahme den Untergebrachten angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert wurden,

  3. 3.

    die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr geeignet und in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist,

  4. 4.

    der von der Maßnahme zu erwartende Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen deutlich überwiegt und

  5. 5.

    die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der Untergebrachten verbunden ist.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 werden ärztlich angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung erfolgt im Einvernehmen mit der Leitung der Einrichtung. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 und die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.

(3) Erfordert die Beurteilung der Gefahrenlage und die Abschätzung der Notwendigkeit einer Behandlung psychischer Erkrankungen eine angemessene Zeit der Beobachtung der Untergebrachten oder droht der oder dem Untergebrachten aufgrund einer anderen Erkrankung eine schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung, darf die Behandlung zwangsweise unter den weiteren Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nur begonnen werden, wenn

  1. 1.

    die Maßnahme der oder dem Untergebrachten mindestens eine Woche vor ihrer Umsetzung schriftlich und mündlich unter Angabe der Gründe sowie Art, Umfang und Dauer in einer dem Gesundheitszustand entsprechenden Weise angekündigt worden ist,

  2. 2.

    die oder der Untergebrachte über die Möglichkeit belehrt worden ist, eine gerichtliche Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes herbeizuführen,

  3. 3.

    vor dem Eingriff durch ein von der behandelnden Einrichtung unabhängiges fachpsychiatrisches oder fachärztliches Votum bestätigt wird, dass

    1. a)

      die oder der zu behandelnde Untergebrachte einsichtsunfähig ist,

    2. b)

      die Vorteile des medizinischen Eingriffs gegenüber den damit verbundenen Nachteilen und Risiken deutlich überwiegen,

    3. c)

      die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr für das Leben der oder des Untergebrachten verbunden ist,

    4. d)

      eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der oder des Untergebrachten droht, und

  4. 4.

    die Fachaufsichtsbehörde oder eine von ihr beauftragte Anstaltsärztin oder ein von ihr beauftragter Anstaltsarzt, die oder der an der Anordnung und Durchführung der Maßnahme nicht beteiligt ist, in die Maßnahme einwilligt.

Die Anordnung gilt höchstens für die Dauer von drei Monaten. Nach Ablauf dieser Zeit ist eine neue Anordnung zu treffen.

(4) Über Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 sind Personensorgeberechtigte der Untergebrachten unverzüglich zu unterrichten.

(5) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Untergebrachten über Absatz 1 hinaus zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.