Anlage 3 NatSchAG M-V - Definitionen der gesetzlich geschützten Geotope
Bibliographie
- Titel
- Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes (Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V)
- Amtliche Abkürzung
- NatSchAG M-V
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Mecklenburg-Vorpommern
- Gliederungs-Nr.
- 791-9
(zu § 20 Abs. 2)
Inhaltsübersicht | |
---|---|
Vorbemerkungen | |
1 | Glaziale Bildungen |
1.1 | Findlinge |
1.2 | Blockpackungen |
1.3 | Gesteinsschollen |
1.4 | Oser |
2 | Fluviatile Bildungen |
2.1 | TrockentäJer |
2.2 | Kalktuff-Vorkommen |
3 | Windablagerungen |
3.1 | Offene Binnendünen |
3.2 | Kliffranddünen |
4 | Marine Bildungen |
4.1 | Kliffs |
4.2 | Haken |
Vorbemerkungen
- 1.
Geotope stellen erdgeschichtliche Bildungen der unbelebten Natur dar, die Erkenntnisse über die Entwicklung der Erde oder des früheren Lebens auf der Erde vermitteln. Geotope umfassen Gesteine, Fossilien, Landschaftsformen und Quellbildungen. Geotope gleicher Genese werden zu Geotoptypen zusammengefasst.
- 2.
Gesetzlich geschützt sind diejenigen Geotope, die sich durch ihre besondere erdgeschichtliche Bedeutung, Seltenheit oder Eigenart auszeichnen. Für Wissenschaft, Forschung und Lehre sind sie Dokumente von besonderem Wert. Sie lassen sich aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften von der Umgebung klar abgrenzen.
- 3.
Zwischen Geotopen und Biotopen bestehen enge Beziehungen, Geotopschutz und Biotopschutz überlagern sich vielfach. Deshalb unterstehen die folgenden Geotope vorrangig dem gesetzlichen Biotopschutz und werden bereits in Anlage 2 zu § 20 Absatz 1 geführt: Sölle, naturnahe und unverbaute Bach- und Flussabschnitte, aufgelassene Kreidebrüche, Fels- und Steilküsten, Strandwälle, Dünen, marine Block- und Steingründe, Windwattflächen sowie Boddengewässer mit Verlandungsbereichen. Die unter den folgenden Nummern beschriebenen Geotope unterliegen dagegen ausschließlich (vgl. aber Nummer 3.1) dem gesetzlichen Geotopschutz.
1 Glaziale Bildungen
1.1 Findlinge
Ein Findling stellt einen vom Inlandeis transportierten Gesteinsblock dar. Findlinge aus kristallinem und metamorphem Gestein sind gesetzlich geschützt, wenn sie folgende Mindestgrößen entsprechend der naturbedingten Verteilung erreichen:
nördlich der Endmoräne des Pommerschen Stadiums der Weichseleiszeit (Linie Krakow-Waren-Neustrelitz-Feld-berg) und östlich der Linie Rostock-Güstrow: Mindestvolumen von 10 m3. Dies erfordert zumindest eine Länge von 3,5 m.
zwischen der Endmoräne des Frankfurter Stadiums (Linie Zarrentin-Schwerin-Parchim-Wredenhagen) und der Endmoräne des Pommerschen Stadiums einerseits sowie nördlich der Pommerschen Endmoräne und westlich der Linie Rostock-Güstrow andererseits: Mindestvolumen von 5 m3. Dies erfordert zumindest eine Länge von 2,5 m.
im Altmoränengebiet Südwestmecklenburgs (südlich der Linie Zarrentin-Schwerin-Parchim): Mindestvolumen von 1 m3. Dies erfordert zumindest eine Länge von 1,5 m.
Findlinge aus Sedimentgesteinen (Kalke, Sandsteine, Quarzi-te) über 1 m Länge sind generell geschützt.
Der Schutz von Findlingen schließt deren Umlagerung im Einzelfall nicht aus.
1.2 Blockpackungen
Blockpackungen stellen natürliche Anreicherungen größerer Geschiebe am Rand des Inlandeises dar. In Mecklenburg-Vorpommern sind noch 13 Vorkommen erhalten und gesetzlich geschützt: drei nahe von Feldberg, je eine bei den Ortschaften Dutzow, Zarrentin, Mankmoos, Marienhof bei Krakow am See, Langhagen, Blücherhof, Laiendorf, Kargow, Freidorf und Sassnitz.
Die Entfernung von Blöcken und Steinen ist untersagt.
1.3 Gesteinsschollen
Gesteinsschollen im glazial geologischen Sinne stellen Gesteinskörper aus erdgeschichtlich bedeutsamen Schichtenfolgen dar, die durch das Inlandeis vom Untergrund abgelöst und verfrachtet wurden. Lagerstättenabbau ist untersagt. Geringfügiges Abschürfen für wissenschaftliche Zwecke ist gestattet.
1.4 Oser
Oser sind wichtige Zeugen für Spalten des Inlandeises. Das Land Mecklenburg-Vorpommern verfügt aufgrund seiner Lage im jüngsten Gletscherverbreitungsgebiet über einen in Deutschland einmalig vielfältigen Bestand an Osern, die deshalb gesetzlich geschützt sind. Sie treten als bahndammähnliche Hügel und Hügelketten von geringer Breite (30 bis ca. 150 m) und beträchtlicher Länge (in Ausnahmefällen bis 30 km) in Grundmoränengebieten auf. In der Regel heben sie sich von den benachbarten Flächen durch ihre Höhe ab. Flankierende Rinnen (Osgräben) sind Bestandteil des Geotops.
Der Abbau von Kiessand sowie Veränderungen am Relief sind untersagt. Traditionelle landwirtschaftliche Nutzung gilt nicht als nachhaltige Beeinträchtigung.
2 Fluviatile Bildungen
2.1 Trockentäler
Trockentäler sind Oberflächenformen, die am Ende einer Vereisung im Vorfeld des Inlandeises entstanden. Infolge der durch Dauerfrost im Boden gehemmten Versickerung schnitt das oberflächlich abfließende Schmelzwasser Erosionskerben ein, die nach dem Auftauen trocken fielen. Als fossile Oberflächenformen sind die Trockentäler von erdgeschichtlicher Bedeutung und deshalb gesetzlich geschützt.
2.2 Kalktuff-Vorkommen
Kalktuff-Vorkommen entstehen dort, wo Quellen aus kalkreichen Schichten austreten. Der Kalk umkrustet die Vegetation und bildet Bänke von hartem, porösem Kalktuff. Als kleinräumige Geotope von zumeist geringer Standfestigkeit sind sie gesetzlich geschützt.
3 Windablagerungen
3.1 Offene Binnendünen
Offene Binnendünen treten in Heidegebieten als vegetationsarme bis vegetationsfreie, aus Fein- bis Mittelsanden bestehende Höhenzüge auf und sind auch als Biotop gesetzlich geschützt. Die nahezu vegetationsfreien Binnendünen sind im Binnenland der einzige Geotoptyp, an dem gegenwärtig Umlagerungen durch Wind ohne anthropogene Beeinflussung stattfinden.
3.2 Kliffranddünen
Kliffranddünen sind gesetzlich geschützt, wenn sie mindestens eine Höhe von 1 m aufweisen. Sie bilden sich auf höheren Steilufern der Ostseeküste, sofern diese von fein- bis mittelkörnigen Sanden aufgebaut werden. Bei auflandigen Winden werden die Sande aus den Steilufern auf den Kliffrand geweht und mit ständig wechselnder Oberflächenform abgelagert.
4 Marine Bildungen
4.1 Kliffs
Kliffs sind Steilküsten, die zumindest zeitweise dem direkten Einfluss des Meerwassers unterliegen (aktive Kliffs) oder durch natürliche Vorgänge dauerhaft vom Meerwasser getrennt wurden (fossile Kliffs).
Aktive Kliffs sind als Geotope nur dann gesetzlich geschützt, wenn an ihnen
eine aus mehreren Schichten bestehende stratigraphische Abfolge,
Vorkommen voreiszeitlicher oder zwischeneiszeitlicher Sedimente oder
besondere Formen der Lagerungsstörungen
aufgeschlossen sind.
Fossile Kliffs sind durch eine den gesamten Ostseeraum betreffende Meeresausbreitung im Zeitraum 5.000 bis 1.000 Jahre v. Chr. (Litorina-Transgression) entstanden. Sie blieben dadurch erhalten, dass sich durch Prozesse des Küstenausgleichs Strandwälle vorlagerten (auf dem Darß, auf Mönchgut und auf Usedom).
Als Zeugen für den früheren Verlauf der Ostseeküste sind sie gesetzlich geschützt.
4.2 Haken
Marine Haken bilden sich im Strömungslee von Abtragungsküsten durch Sandverlagerung. Durch die ständig in Umbildung begriffenen, vegetationsfreien Haken werden die Auswirkungen der am Meeresgrund ablaufenden Umlagerungsprozesse auch oberhalb des Meeresspiegels sichtbar.
Eingriffe in die Haken, die die Küstenausgleichsprozesse stören, sind untersagt.
Erläuterungen:
Aus der Summe aller erdgeschichtlichen, vor allem mit der Eiszeit verbundenen Erscheinungsformen an der Landesoberfläche sind neben den Schutzgründen "Landschaftliche Schönheit" oder "Naturschutz" einzelne Zeugen der Eiszeit und Nacheiszeit als Geotope insbesondere deshalb geschützt, weil sie als beispielhafte oder außergewöhnliche unbelebte Naturerscheinungen im Falle der Beeinträchtigung oder Beseitigung nicht reversibel sind. Das Land Mecklenburg-Vorpommern nimmt den größten deutschen Anteil am jüngsten Gletscherverbreitungsgebiet ein und verfügt aufgrund dessen über besonders typisch ausgebildete Hinterlassenschaften der Gletscher. Ihr Schutz ist deshalb eine Verpflichtung über die Landesgrenzen hinaus.
Geotope sind häufig auch als Biotope erfasst oder sie treten gemeinsam in einem Schutzgebiet auf. Die über die bereits vorhandenen Schutzgebiete hinausgehende Flächeninanspruchnahme durch Geotope im Land Mecklenburg-Vorpommern liegt deutlich unter 1 Prozent der Landesfläche und betrifft vor allem die für das Land besonders charakteristischen Geotoptypen Findlinge (Naturdenkmale von punktförmiger Ausdehnung) und Oser (schmale, langgestreckte Schmelzwasserbildungen).
Durch Sand- und Kiesabbau wurden in der Vergangenheit die Oser in ihrer äußeren Form zum Teil beeinträchtigt oder abgebaut und einige große Findlinge wurden zu Bausteinen verarbeitet. Ebenso sind die früher zahlreichen Blockpackungen sowie Gesteinsschollen als Lagerstätten von lokaler Bedeutung (vor allem Tone des Juras und Tertiärs, Kalk der Kreide, warmzeitliche Bildungen) dezimiert worden. Ihr gesetzlicher Schutz soll weitere Verluste verhindern.
Um den Schutz einzelner Findlinge zu gewährleisten, ist im Einzelfall eine Umsetzung vor Ort oder in eine öffentliche Anlage, einen Museumsgarten oder einen Findlingsgarten zugelassen oder ratsam.
Trockentäler sind bisher außerhalb von bestehenden Schutzgebieten nicht bekannt. Ihr Schutz bezieht sich auf die Erhaltung der Form und schließt land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht aus. Dagegen sind die Kalktuffe aufgrund ihrer besonderen Form und wegen ihrer geringen Stabilität vor jeglicher Beeinträchtigung geschützt. Dies gilt auch für Kalktuffe am Kliff von Jasmund, die durch die Brandung umgelagert wurden. Die Kalktuff-Vorkommen haben etwa die Größe eines Naturdenkmals.
Von den offenen Binnendünen als Biotope heben sich die Wanderdünen als Geotope ab, da ihre Entwicklung nicht abgeschlossen ist. Sie beschränken sich auf kleine Areale der Terrassensande im Urstromtal der Elbe sowie in der Ückermünder Heide.
Kliffranddünen sind der ständigen Veränderung unterworfen, da sie vom Wind abhängig sind und durch Küstenrückgang auf natürliche Weise beeinträchtigt werden. Deshalb ist ihr gesetzlicher Schutz auf Standorte beschränkt, wo sie günstige Erhaltungsbedingungen vorfinden. Dies ist nur an Teilen der Kliffs von Fischland, Hiddensee, Wittow, Mönchgut und Usedom gegeben. Kliffranddünen überlagern häufig einen charakteristischen Bodenhorizont (Podsol-Profil).
Da die Fels- und Steilküsten als Biotope weitgehend geschützt sind, bedarf der Geotop Aktives Kliff des gesetzlichen Schutzes nach § 20 Absatz 2 nur dann, wenn die geologischen Verhältnisse von besonderer Bedeutung sind. Sichtbarkeit und gelegentliche Zugänglichkeit für wissenschaftliche Zwecke sind Ziele des Geotopschutzes für erdgeschichtlich wichtige Kliffabschnitte ebenso wie bei vergleichbaren Verhältnissen im Binnenland.
Die fossilen Kliffs sind bewachsen und unterliegen keiner natürlichen Veränderung. In der Regel sind sie Teile von Schutzgebieten. Das gilt auch für die marinen Haken.