§ 15b BbgPolG - Elektronische Aufenthaltsüberwachung
Bibliographie
- Titel
- Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz - BbgPolG)
- Amtliche Abkürzung
- BbgPolG
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Brandenburg
- Gliederungs-Nr.
- 220-1
(1) Die Polizei kann eine Person dazu verpflichten, sich ein technisches Mittel, mit dem der Aufenthaltsort dieser Person elektronisch überwacht werden kann, anlegen zu lassen, es ständig in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen und dessen Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, wenn
- 1.
im konkreten Einzelfall
- a)
die Person, der gegenüber die Anordnung getroffen werden soll, nach polizeilichen Erkenntnissen
- aa)
mindestens zwei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen hat, wobei es bei mindestens einer dieser Straftaten zum Körperkontakt mit dem Opfer gekommen sein muss, oder
- bb)
mindestens zwei Straftaten begangen hat, wobei eine gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die andere gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person gerichtet war,
- b)
- c)
bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierten Weise eine solche Straftat zu Lasten eines ihr fremden Opfers begehen wird, und
- d)
die Überwachung und Datenverwendung zur Verhinderung der Straftat unerlässlich ist,
- 2.
im konkreten Einzelfall
- a)
die Person, der gegenüber die Anordnung getroffen werden soll, nach polizeilichen Erkenntnissen bereits eine Straftat nach § 238 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 1 oder 2 oder mit Absatz 3 des Strafgesetzbuches begangen hat,
- b)
bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in absehbarer Zeit weitere auch im Einzelfall schwerwiegende Straftaten nach § 238 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 1 oder 2 oder mit Absatz 3 des Strafgesetzbuches begehen wird, und
- c)
andere Maßnahmen der Gefahrenabwehr nicht oder nicht gleich erfolgsversprechend erscheinen oder
- 3.
eine Überwachung und Datenverwendung zur Kontrolle der Befolgung einer nach den §§ 16a oder 16b getroffenen Maßnahmen unerlässlich ist, weil
- a)
die betroffene Person wiederholt einer Anordnung zuwidergehandelt hat,
- b)
ihr individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit weiterer Zuwiderhandlungen mit dann im Einzelfall schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen begründet und
- c)
die Kontrolle auf andere Weise nicht möglich oder wesentlich erschwert ist.
(2) Die Polizei erhebt und speichert mit Hilfe der von der betroffenen Person mitzuführenden technischen Mittel die Daten automatisiert über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung. Soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der betroffenen Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. Die Daten nach Satz 1 dürfen, soweit dies für die folgenden Zwecke erforderlich ist, ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verarbeitet werden zur
- 1.
Verfolgung der in Absatz 1 benannten Straftaten,
- 2.
Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer Person,
- 3.
Feststellung von Verstößen gegen eine Wohnungsverweisung oder ein Rückkehrverbot nach § 16a oder gegen ein Kontakt- oder Näherungsverbot nach § 16b oder
- 4.
Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des technischen Mittels.
Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 3 hat die Verarbeitung der Daten automatisiert zu erfolgen. Die in Satz 1 genannten Daten sind zu kennzeichnen und gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verarbeitung besonders zu sichern. Sie sind spätestens zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme zu löschen, soweit sie nicht für die in Satz 3 genannten Zwecke verwendet werden. Werden innerhalb der Wohnung der betroffenen Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, sind diese unverzüglich zu löschen und bis dahin nicht weiter zu verarbeiten. Die Tatsache ihrer Erhebung und Löschung ist zu dokumentieren. Die in der Dokumentation enthaltenen Daten dürfen ausschließlich zur Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind nach 24 Monaten oder im Falle einer Datenschutzkontrolle innerhalb dieses Zeitraums nach deren Abschluss zu löschen. Die Sätze 2 und 7 bis 10 gelten entsprechend, soweit durch die Datenerhebung nach Satz 1 der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist.
(3) Die Maßnahme nach Absatz 1 darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder die jeweilige Vertretung angeordnet oder verlängert werden; in diesen Fällen ist unverzüglich eine richterliche Bestätigung einzuholen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für die gerichtliche Anordnung gilt Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend, soweit hier nichts Abweichendes geregelt ist. Von einer Anhörung der betroffenen Person durch das Gericht und der Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung an die betroffene Person ist abzusehen, wenn die vorherige Anhörung oder die Bekanntgabe der Entscheidung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Die nach Satz 1 durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder die jeweilige Vertretung erlassene Anordnung oder Verlängerung tritt spätestens mit Ablauf des dritten Tages nach ihrem Erlass außer Kraft, wenn sie bis dahin nicht richterlich bestätigt wurde. Erfolgt bis dahin keine richterliche Bestätigung, so dürfen bereits erhobene Daten nicht verwendet werden; diese Daten sind unverzüglich zu löschen. In der schriftlichen Anordnung sind anzugeben:
- 1.
die betroffene Person, soweit bekannt mit Namen und Anschrift,
- 2.
Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
- 3.
die Angabe, ob die betroffene Person einer Wohnungsverweisung oder einem Rückkehrverbot nach § 16a oder einem Kontakt- oder Näherungsverbot nach § 16b unterliegt, und
- 4.
die Voraussetzungen und die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte; im Falle einer polizeilichen Anordnung nach Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 2 muss sich die Begründung auch auf die Gefahr im Verzug beziehen.
Die richterliche Entscheidung wird mit ihrer Bekanntgabe an die beantragende Polizeibehörde wirksam. Die Anordnung ist sofort vollziehbar und auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils höchstens drei weitere Monate ist möglich, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Die Maßnahme ist zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die richterliche Bestätigung nicht unverzüglich beantragt worden ist. Die Beendigung ist dem Gericht anzuzeigen.
(4) Die Polizei kann die Wohnung der betroffenen Person zur Aufstellung der zur Überwachung des Aufenthalts in der Wohnung erforderlichen technischen Mittel betreten. Nach Abschluss der Maßnahme hat die betroffene Person auf Anforderung die technischen Mittel an die Polizei unverzüglich herauszugeben.
(5) Die Landesregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2026 über die mit Einführung der Absätze 1 bis 4 erreichte Wirkung zur Gefahrenabwehr und damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen.