§ 33a BbgPolG - Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen
Bibliographie
- Titel
- Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz - BbgPolG)
- Amtliche Abkürzung
- BbgPolG
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Brandenburg
- Gliederungs-Nr.
- 220-1
(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes oder zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in oder aus der Wohnung (§ 23 Abs. 1 Satz 2) des Betroffenen erheben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dadurch Erkenntnisse erlangt werden, die für die Gefahrenabwehr von Bedeutung sind und
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dies zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist oder
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aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere aufgrund konkreter Informationen über Planungs- und Vorbereitungshandlungen, anzunehmen ist, dass
- a)
Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212 des Strafgesetzbuches oder § 6 des Völkerstrafgesetzbuches),
- b)
Menschenhandel (§§ 232 Abs. 3 und 4, 233 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
- c)
Staatsschutzdelikte im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a der Strafprozessordnung,
- d)
schwerer Bandendiebstahl, schwerer Raub, schwere räuberische Erpressung oder besonders schwerer Fall der Geldwäsche (§§ 244a, 250, 255 oder 261 Abs. 4 Satz 2 des Strafgesetzbuches),
- e)
gemeingefährliche Straftaten nach §§ 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 3, 309 Abs. 1 bis 4, 310 Abs. 1 Nr. 1, 313 Abs. 1, 313 Abs. 2 in Verbindung mit 308 Abs. 2 und 3, 314, 315 Abs. 3, 315b Abs. 3, 316a oder 316c Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches,
- f)
schwerwiegende Verstöße gegen das Waffengesetz oder Verbrechen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (§§ 51 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 5 des Waffengesetzes, §§ 19 Abs. 1 und 2, 20 Abs. 1, 20a Abs. 1 und 2, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder § 22a Abs. 1 und 2 des Kriegswaffenkontrollgesetzes) oder
- g)
schwerwiegende Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes in Bezug genommenen Vorschrift unter der dort genannten Voraussetzung oder nach §§ 29a Abs. 1, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder § 30a Abs. 1 und 2 des Betäubungsmittelgesetzes)
organisiert begangen werden sollen, die drohende Rechtsgutsverletzung auch im Einzelfall schwer wiegt und die Datenerhebung zur Abwehr der mit diesen Straftaten verbundenen dringenden Gefahr erforderlich ist.
(2) Absatz 1 Nr. 1 berechtigt die Polizei zur Datenerhebung nur über die Person des für die Gefahr Verantwortlichen oder eines Notstandspflichtigen und zu Eingriffen in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung dieser Personen. Absatz 1 Nr. 2 berechtigt die Polizei zur Datenerhebung nur über die Person des potenziellen Straftäters oder seiner Kontakt- oder Begleitpersonen und zu Eingriffen in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung dieser Personen. Als Kontakt- oder Begleitpersonen kommen nur Personen in Betracht, bei denen konkrete Tatsachen für einen objektiven Tatbezug zu dem potenziellen Straftäter sprechen. Dazu gehören mögliche Auftraggeber, Helfer oder andere Personen, die in sonstiger Weise bei der Planung, Durchführung oder späteren Verwertung der Tatvorteile oder zum Schutz des Täters eine Rolle spielen können, sei es durch bewusste Unterstützung oder dadurch, dass sie ohne ihr Wissen von dem potenziellen Straftäter für dessen Zwecke genutzt werden. Amts- und Berufsgeheimnisträger gehören, soweit das geschützte Vertrauensverhältnis reicht, nicht zu den Kontakt- oder Begleitpersonen. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden, es sei denn, es handelt sich um Berufsgeheimnisträger gemäß §§ 53, 53a der Strafprozessordnung, zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht.
(3) Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen oder Handlungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden.
(4) Die Maßnahme darf nur durch den Richter oder bei Gefahr im Verzug durch den Behördenleiter angeordnet werden; in diesem Fall ist unverzüglich eine richterliche Bestätigung einzuholen. Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk die beantragende Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. In der schriftlichen Anordnung sind anzugeben
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soweit bekannt, der Name und die Anschrift des Adressaten, gegen den sich die Maßnahme richtet,
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die zu überwachenden Wohnräume,
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die tragenden Erkenntnisse für das Vorliegen der Gefahr nach Absatz 1 und die Begründung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Die Maßnahme ist auf höchstens einen Monat zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die Anordnungsvoraussetzungen fortbestehen. Sobald die Anordnungsvoraussetzungen weggefallen sind, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden und das anordnende Gericht davon zu benachrichtigen.
(5) Die Überwachung ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen oder Handlungen erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind oder dem Schutz eines besonderen Vertrauensverhältnisses gemäß Absatz 2 Satz 6 unterliegen. Entsprechende Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen. Erkenntnisse über solche Äußerungen und Handlungen dürfen nicht verwertet werden. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. Ist eine Maßnahme nach Satz 1 unterbrochen worden, so darf sie unter den in Absatz 3 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Im Zweifel ist über die Unterbrechung oder Fortführung der Maßnahme unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
(6) Die Unterrichtung des Betroffenen richtet sich nach § 29 Abs. 7 und 8. Wird wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet, ist die Unterrichtung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft nachzuholen, sobald dies der Stand des Ermittlungsverfahrens zulässt. Die Unterrichtung kann unterbleiben, wenn der Betroffene im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von der Maßnahme Kenntnis erlangt.
(7) Die durch die Überwachung erlangten personenbezogenen Daten sind stets als solche zu kennzeichnen. Sie dürfen für andere Zwecke verwendet werden, wenn dies zur Abwehr einer in Absatz 1 genannten dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder für die Verfolgung der dort genannten Straftaten erforderlich ist. Eine solche Änderung der Zweckrichtung ist festzustellen und zu dokumentieren. Die Daten sind unverzüglich zu sperren, wenn sie nicht mehr erforderlich sind. Sie dürfen ausschließlich für eine gerichtliche Überprüfung verwendet werden und sind unverzüglich zu löschen, wenn sie hierfür nicht benötigt werden, spätestens zwei Wochen nach Unterrichtung der Betroffenen. Auf diese Frist ist in der Unterrichtung hinzuweisen. Die Löschung ist zu dokumentieren.
(8) Dient die Überwachung ausschließlich dem Schutz der bei einem polizeilichen Einsatz in Wohnungen hoheitlich tätigen Personen, kann sie abweichend von Absatz 4 allein durch den Behördenleiter angeordnet werden. Die hierbei erlangten personenbezogenen Daten dürfen anderweitig nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr verwendet werden, wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zuvor richterlich festgestellt worden ist. Abweichend hiervon ist eine Verwendung der Daten bei Gefahr im Verzug zulässig, wenn die richterliche Entscheidung unverzüglich nachgeholt wird.
(9) Das für Inneres zuständige Mitglied der Landesregierung erstattet dem Landtag jährlich einen Bericht über jede abgeschlossene Wohnraumüberwachungsmaßnahme, der Angaben enthält über
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deren Anlass und, soweit möglich, seine Zuordnung zu Deliktsbereichen,
- 2.
die Zahl der hiervon betroffenen Personen,
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die Zahl der bei Gericht gestellten Anordnungsanträge,
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die jeweilige gerichtliche Entscheidung und
- 5.
die Dauer der Maßnahme sowie die Dauer einer Verlängerung der Maßnahme.
Hierbei sind personenbezogene Daten zu anonymisieren.