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§ 25a ASOG Bln - Telekommunikationsüberwachung

Bibliographie

Titel
Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG Bln)
Amtliche Abkürzung
ASOG Bln
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Berlin
Gliederungs-Nr.
2011-1

(1) 1Die Polizei kann ohne Wissen der betroffenen Person die Telekommunikation einer Person überwachen und aufzeichnen,

  1. 1.

    die entsprechend §§ 13 oder 14 verantwortlich ist, und dies zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, geboten ist,

  2. 2.

    bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine terroristische Straftat begehen wird, oder

  3. 3.

    deren individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine terroristische Straftat begehen wird

und die Abwehr der Gefahr oder Verhütung der Straftaten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

(2) Terroristische Straftaten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind Straftaten, die in § 129a Absatz 1 oder 2 des Strafgesetzbuchs bezeichnet sind, im In- oder Ausland begangen werden und die dazu bestimmt sind,

  1. 1.

    die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern,

  2. 2.

    eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder

  3. 3.

    die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates, eines Landes oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen,

und die durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat, ein Land oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können.

(3) 1Soweit dies zur Vorbereitung oder Durchführung einer Maßnahme nach Absatz 1 unerlässlich ist, kann die Polizei

  1. 1.

    von jedem, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), Auskunft verlangen über Bestandsdaten im Sinne der §§ 95, 111 des Telekommunikationsgesetzes (§ 113 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes) einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Person,

  2. 2.

    technische Mittel einsetzen, um die Gerätenummer der von der in Absatz 1 Satz 1 genannten Person genutzten Mobilfunkendgeräts und die Kartennummer der darin verwendeten Karte zu ermitteln.

2Geräte- und Kartennummern Dritter dürfen bei Maßnahmen nach Satz 1 Nummer 2 nur soweit und solange erhoben, gespeichert und mit anderen Geräte- und Kartennummern, die zum Zweck der Vorbereitung oder Durchführung einer Maßnahme nach Absatz 1 erhobenen wurden oder hätten erhoben werden können, abgeglichen werden, wie dies zur Ermittlung der von der in Absatz 1 Satz 1 genannten Person verwendeten Geräte- oder Kartennummer unerlässlich ist. 3Die erhobenen Daten Dritter sind danach unverzüglich zu löschen; die Löschung ist zu protokollieren.

(4) 1Maßnahmen nach Absatz 1 und nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 bedürfen der richterlichen Anordnung, die von der Polizeipräsidentin oder dem Polizeipräsidenten oder der Vertretung im Amt zu beantragen ist. 2Zuständig ist das Amtsgericht Tiergarten. 3Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung durch die Polizeipräsidentin oder den Polizeipräsidenten oder die Vertretung im Amt getroffen werden. 4Die richterliche Bestätigung der Anordnung ist in diesem Fall unverzüglich einzuholen. 5Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird. 6In diesem Fall dürfen die bereits erhobenen Daten nicht mehr verwendet werden; diese Daten sind unverzüglich zu löschen. 7Sind bereits Daten übermittelt worden, die nach Satz 6 zu löschen sind, so ist die empfangende Stelle darüber zu unterrichten. 8Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. 9Maßnahmen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 dürfen nur von der Polizeipräsidentin oder dem Polizeipräsidenten oder der Vertretung im Amt angeordnet werden. 10Die Polizeipräsidentin oder der Polizeipräsident kann diese Anordnungsbefugnis auf die Leitung des Landeskriminalamtes und ihre Vertretung im Amt übertragen.

(5) Im Antrag für eine Anordnung nach Absatz 4 Satz 1, 3 und 4 sind anzugeben:

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

  2. 2.

    die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgeräts, sofern die Anordnung eine Maßnahme nach Absatz 1 betrifft,

  3. 3.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

  4. 4.

    der Sachverhalt sowie

  5. 5.

    eine Begründung.

(6) 1Die Anordnung nach Absatz 4 Satz 1, 3 und 4 ergeht schriftlich. 2In ihr sind anzugeben

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

  2. 2.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

  3. 3.

    die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgeräts, sofern die Anordnung eine Maßnahme nach Absatz 1 betrifft,

  4. 4.

    die wesentlichen Gründe.

(7) 1Die Anordnung nach Absatz 4 Satz 1, 3 und 5 ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 2Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate ist auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. 3Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden.

(8) 1Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach Absatz 1 allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. 2 § 25 Absatz 4a Satz 3 gilt entsprechend. 3Soweit im Rahmen von Maßnahmen nach Absatz 1 neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 4Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. 5Automatische Aufzeichnungen sind unverzüglich dem anordnenden Gericht vorzulegen. 6Das Gericht entscheidet unverzüglich über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten. 7Bis zur Entscheidung durch das Gericht dürfen die automatischen Aufzeichnungen nicht verwendet werden. 8Ist die Maßnahme nach Satz 3 unterbrochen worden, so darf sie für den Fall, dass sie nicht nach Satz 1 unzulässig ist, fortgeführt werden. 9Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. 10Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. 11Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. 12Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle nach Absatz 12 verwendet werden. 13Sie ist sechs Monate nach der Benachrichtigung oder Unterrichtung nach Absatz 13 oder sechs Monate nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung über das endgültige Absehen von der Unterrichtung zu löschen. 14Ist die Datenschutzkontrolle nach Ablauf der in Satz 13 genannten Fristen noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzubewahren.

(9) 1Bei der Erhebung von Daten nach Absatz 1 und Absatz 3 sind zu protokollieren

  1. 1.

    das zur Datenerhebung eingesetzte Mittel,

  2. 2.

    der Zeitpunkt des Einsatzes,

  3. 3.

    Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen,

  4. 4.

    die Organisationseinheit, die die Maßnahmen durchführt und

  5. 5.

    die Beteiligten der überwachten Telekommunikation oder die Zielperson.

2Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden für Zwecke der Benachrichtigung oder Unterrichtung nach Absatz 13 oder um der betroffenen Person oder einer dazu befugten öffentlichen Stelle die Prüfung zu ermöglichen, ob die Maßnahmen rechtmäßig durchgeführt worden sind, oder für Zwecke der Evaluation nach Absatz 15 Satz 2. 3Sie sind bis zu dem Abschluss der Kontrolle nach Absatz 12 aufzubewahren und sodann automatisiert zu löschen, es sei denn, dass sie für die in Satz 2 genannten Zwecke noch erforderlich sind.

(10) 1Die nach den Absätzen 1 und 3 erhobenen personenbezogenen Daten sind wie folgt zu kennzeichnen:

  1. 1.

    Angabe des Mittels der Erhebung der Daten einschließlich der Angabe, ob die Daten offen oder verdeckt erhoben wurden,

  2. 2.

    Angabe der

    1. a)

      Rechtsgüter, deren Schutz die Erhebung dient, oder

    2. b)

      Straftaten, deren Verhütung die Erhebung dient, sowie

    3. c)

      Stelle, die sie erhoben hat.

2Die Kennzeichnung nach Satz 1 Nummer 1 kann durch Angabe der Rechtsgrundlage ergänzt werden. 3Personenbezogene Daten, die nicht entsprechend den Anforderungen des Satzes 1 gekennzeichnet sind, dürfen solange nicht weiterverarbeitet oder übermittelt werden, bis eine Kennzeichnung entsprechend den Anforderungen des Satzes 1 erfolgt ist. 4Bei Übermittlung an eine andere Stelle ist die empfangende Stelle darauf hinzuweisen, dass die Kennzeichnung nach Satz 1 aufrechtzuerhalten ist.

(11) 1Auf Grund der Anordnung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 3 hat jeder, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, der Polizei die Maßnahme zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. 2Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. 3Für die Entschädigung der Diensteanbieter ist § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden.

(12) Die oder der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit führt bezüglich der Datenerhebungen nach Absatz 1 und Absatz 3 mindestens alle zwei Jahre Kontrollen durch.

(13) 1Über eine Maßnahme nach dieser Vorschrift sind zu benachrichtigen im Falle

  1. 1.

    des Absatzes 1 die Beteiligten der überwachten Telekommunikation und

  2. 2.

    des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 2 die Zielperson.

2Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme oder des Zwecks von Maßnahmen gemäß der Strafprozessordnung möglich ist. 3Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. 4Die Benachrichtigung einer Person gemäß Satz 1 Nummer 1, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, kann zudem unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen ist und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an der Benachrichtigung hat. 5Nachforschungen zur Identität einer solchen Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist. 6 § 25 Absatz 7 Satz 5 bis 9 gilt entsprechend.

(14) § 25 Absatz 10 gilt entsprechend; § 25 Absatz 8 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass Unterlagen erst zu vernichten sind, wenn sie auch für Zwecke der Evaluation nach Absatz 15 Satz 2 nicht mehr erforderlich sind.

(15) 1Diese Regelung tritt mit Ablauf des 1. April 2025 außer Kraft. 2Die Anwendung dieser Vorschrift wird durch unabhängige wissenschaftliche Sachverständige, die vom Senat im Einvernehmen mit dem für Inneres zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses bestimmt werden, evaluiert; für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Evaluation gilt § 35 des Berliner Datenschutzgesetzes entsprechend. 3Der Evaluationsbericht wird dem Abgeordnetenhaus vorgelegt.