Versionsverlauf


§ 26 BlnMobG - Besondere Ziele der Entwicklung des ÖPNV

Bibliographie

Titel
Berliner Mobilitätsgesetz
Redaktionelle Abkürzung
BlnMobG,BE
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Berlin
Gliederungs-Nr.
9240-4

(1) Die Sicherung und Ausgestaltung eines attraktiven öffentlichen Personennahverkehrs inklusive des Regionalverkehrs ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Das Land Berlin soll eine an der Erfüllung der Ziele der §§ 3 bis 15, der auf den öffentlichen Personennahverkehr bezogenen Ziele und Vorgaben des StEP Mobilität und Verkehr sowie den besonderen Zielen zur Entwicklung des ÖPNV nach Maßgabe der folgenden Absätze 2 bis 11 ausgerichtete Bedienung mit ÖPNV sicherstellen. Die Maßnahmen zum Ausbau des ÖPNV bewirken insgesamt, dass der ÖPNV-Anteil am Gesamt-Modal-Split deutlich ansteigt.

(2) Der ÖPNV soll insbesondere Wohngebiete, Arbeits- und Ausbildungsstätten, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Einkaufsgelegenheiten, Sportzentren, kulturelle und soziale Einrichtungen sowie Erholungsgebiete verkehrlich erschließen und verknüpfen. Das Strecken- und Liniennetz des ÖPNV ist unter Beachtung der längerfristigen Mobilitätsentwicklung, der nachhaltigen Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Infrastrukturerstellung und -nutzung sowie der Leistungserbringung an den Anforderungen der vorhandenen und potenziellen Fahrgäste auszurichten und zu entwickeln. Das ÖPNV-Angebot soll eine häufige, regelmäßige, pünktliche, schnelle, bequeme, umweltfreundliche, barrierefreie und sichere Verkehrsbedienung bieten und einen optimierten Übergang zu anderen Verkehrsmitteln im Sinne einer multimodalen Verknüpfung ermöglichen. Das Verkehrs- und Tarifangebot und die Information über dieses Angebot sind an den Bedürfnissen der Fahrgäste auszurichten.

(3) Die Tarife für die Nutzung des ÖPNV sind einfach, nachvollziehbar und übersichtlich zu gestalten. Durch Bemessung der Höhe und der Struktur der Tarife sind einerseits die Bindung der Kundinnen und Kunden an den ÖPNV zu honorieren sowie die Zahl der Fahrgäste zu erhöhen und andererseits ist der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass auch die Fahrgäste einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebots leisten. Freifahrtregelungen für bestimmte Nutzergruppen sind damit nicht ausgeschlossen. Die Bedürfnisse von Menschen mit geringem Einkommen sind zu berücksichtigen und für diese ein angemessen niedriger Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebotes vorzusehen. Die Vertriebswege sind leicht zugänglich und barrierefrei zu gestalten und so zu konzipieren, dass der Aufwand für den Fahrausweiserwerb für die Fahrgäste minimiert wird. Alternative Formen der Finanzierung des ÖPNV insbesondere über Bürgertickets oder die Heranziehung der Nutznießer des ÖPNV sind zu prüfen.

(4) Der verkehrsmittel- und unternehmensübergreifenden Integration der Verkehrsbedienung im öffentlichen Personennahverkehr sowie der Verknüpfung mit dem ÖPNV im Brandenburger Umland kommen besondere Bedeutung in der Umsetzung insbesondere der Ziele gemäß § 7 Absatz 1 sowie § 14 zu. Verknüpfung und Integration sind insbesondere durch abgestimmte Liniennetze, Fahrpläne, Anschlusssicherung, integrierten Tarif, zielgruppenspezifische Angebote, Vertrieb und bei der Kundenkommunikation umzusetzen.

(5) Zur Absicherung eines verlässlichen und pünktlichen Angebotes sowie zur Realisierung attraktiver Reisezeiten wird dem ÖPNV als Teil des Umweltverbundes im Rahmen des geltenden Rechts Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt. Im erforderlichen Umfang ist dieser Vorrang insbesondere bei der Straßenraumaufteilung sowie bei der Schaltung von Lichtsignalanlagen umzusetzen.

(6) Bei der Planung und Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeuge sowie des Angebots des ÖPNV soll insbesondere in Umsetzung der Ziele gemäß § 3 und § 4 Absatz 2 und 3 den spezifischen Bedürfnissen der unterschiedlichen Gruppen von Nutzenden Rechnung getragen werden.

(7) Der ÖPNV soll die Mobilität von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sichern und die Barrierefreiheit im Sinne des Landesgleichberechtigungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September 2006 (GVBl. S. 957), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2017 (GVBl. S. 695) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gewährleisten, sowohl hinsichtlich der Ausstattung von Fahrzeugen und fahrgastbezogener Infrastruktur als auch bei Informationen, Vertrieb und Orientierungshilfen sowie dem Betrieb und der Wartung der entsprechenden Infrastruktur. Im Nahverkehrsplan sind hierfür Standards und Maßnahmen zur Zielerreichung für den fahrplanmäßigen Verkehr zu konkretisieren sowie angemessene Vorkehrungen für den Umgang mit Störungsfällen zu entwickeln. Zur Überwindung von Barrieren beziehungsweise Nutzungseinschränkungen, die der Zielerreichung entsprechend § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes entgegenstehen, werden bis spätestens 31. Dezember 2021 individuelle Beförderungsangebote zur Überwindung von Barrieren beziehungsweise Nutzungseinschränkungen im Sinne angemessener Vorkehrungen entwickelt. Bei Neuanschaffungen von Fahrzeugen und Neubau von Verkehrsinfrastruktur ist die Barrierefreiheit gemäß dem anerkannten Stand der Technik zu gewährleisten; bei Umrüstungen von Fahrzeugen sowie beim Ersatz und Umbau der Verkehrsinfrastruktur oder sonstiger Einrichtungen soll eine entsprechende Gestaltung erfolgen.

(8) Bei der Planung und Ausgestaltung des ÖPNV ist der Fahrgastsicherheit Rechnung zu tragen. Die zuständigen Dienststellen der Polizei sind zu beteiligen.

(9) Zur Verringerung der verkehrstechnischen Beeinträchtigungen von Klima und Umwelt, zur Vermeidung von Gesundheitsbeeinträchtigungen (Luftschadstoffe und Lärm) sowie unter Berücksichtigung der Anforderungen der Energieeffizienz soll die Leistungserbringung im ÖPNV auf Schiene und Straße über geeignete Anforderungen und Maßnahmen bei Planung und Bau von Infrastruktur sowie Beschaffung und Ausgestaltung von Fahrzeugen schrittweise bis spätestens 2030 auf einen vollständigen Betrieb mit alternativen Antrieben beziehungsweise nicht fossilen Antriebsenergien umgestellt werden. Hierbei ist ein aus dem Bedarf abgeleitetes, integriertes Konzept unter Berücksichtigung von gegebenenfalls notwendig werdender zusätzlicher Infrastruktur zu erstellen. Grundsätzlich ist ein Systemwechsel von Bus auf Schienenverkehrsmittel Teil der Migrationsstrategie.

(10) Damit der ÖPNV seiner Vorreiterfunktion gerecht wird, soll bis spätestens 2030 schrittweise auf einen vollständigen Betrieb mit alternativen Antrieben beziehungsweise nicht fossilen Antriebsenergien inklusive der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen umgestellt werden. Die Erprobung neuer, dem Stand der Wissenschaft entsprechender Techniken auf ihre Einsatzreife soll Teil dieses Umstellungsprozesses sein.

(11) Innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote des ÖPNV sind mit Blick auf die verbesserte Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes zu erproben. Sie sind zu nutzen, um auf neue Rahmenbedingungen und strukturelle Umbrüche, insbesondere im Kontext der zunehmenden Digitalisierung und des Aufkommens neuer, intelligenter Technologien, entsprechend reagieren zu können.