§ 20 HSOG - Datenweiterverarbeitung, Zweckbindung, Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung

Bibliographie

Titel
Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)
Amtliche Abkürzung
HSOG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Hessen
Gliederungs-Nr.
310-63

(1) 1Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten, die sie selbst erhoben haben, unter Berücksichtigung der jeweiligen Datenerhebungsvorschrift weiterverarbeiten

  1. 1.

    zur Erfüllung derselben Aufgabe und

  2. 2.

    zum Schutz derselben Rechtsgüter oder sonstigen Rechte oder zur Verhütung derselben Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten.

2Satz 1 gilt entsprechend für personenbezogene Daten, denen keine Erhebung vorausgegangen ist, mit der Maßgabe, dass für die Weiterverarbeitung der Zweck der Speicherung zu berücksichtigen ist. 3Für die Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten, die aus Maßnahmen nach § 15 Abs. 4 erlangt wurden, muss eine Gefahr im Sinne der Vorschrift vorliegen.

(2) 4Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben worden sind, weiterverarbeiten, wenn unter Berücksichtigung der jeweiligen Datenerhebungsvorschrift

  1. 1.

    mindestens

    1. a)

      vergleichbar schwerwiegende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verhütet oder

    2. b)

      vergleichbar bedeutsame Rechtsgüter oder sonstige Rechte geschützt

    werden sollen und

  2. 2.

    sich im Einzelfall konkrete Ermittlungsansätze

    1. a)

      zur Verhütung solcher Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ergeben oder

    2. b)

      zur Abwehr von in einem übersehbaren Zeitraum drohenden Gefahren für mindestens vergleichbar bedeutsame Rechtsgüter oder sonstige Rechte erkennen lassen.

2Abweichend von Satz 1 können die vorhandenen zur Identifizierung dienenden Daten einer Person, wie insbesondere Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Anschrift (Grunddaten), auch weiterverarbeitet werden, um diese Person zu identifizieren. 3Abs. 8 und 9, die §§ 24, 25 und 45 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes sowie § 20b und besondere Vorschriften zur Weiterverarbeitung bleiben unberührt. 4Satz 1 bis 3 gelten entsprechend für personenbezogene Daten, denen keine Erhebung vorausgegangen ist, mit der Maßgabe, dass für die Weiterverarbeitung der Zweck der Speicherung zu berücksichtigen ist.

(3) 1Für die Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten, die durch einen verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen erlangt wurden, gilt Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Gefahr im Sinne des § 15 Abs. 4 vorliegen muss. 2Personenbezogene Daten, die durch Herstellung von Lichtbildern oder Bildaufzeichnungen über eine Person im Wege eines verdeckten Einsatzes technischer Mittel in oder aus Wohnungen erlangt wurden, dürfen nicht zu Strafverfolgungszwecken weiterverarbeitet werden.

(4) Bei der Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten ist durch organisatorische und technische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Abs. 1 bis 3 beachtet werden.

(5) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten nach Maßgabe der Abs. 1 bis 4 weiterverarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist und soweit andere Rechtsvorschriften keine besonderen Voraussetzungen vorsehen.

(6) 1Die Polizeibehörden können, soweit Bestimmungen der Strafprozessordnung oder andere Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, personenbezogene Daten, die sie im Rahmen der Verfolgung von Straftaten gewonnen haben, zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten weiterverarbeiten. 2Soweit es sich um Daten von Personen handelt, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, sind die Daten zu löschen, sobald der Verdacht entfällt.

(7) 1Die Polizeibehörden können zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten personenbezogene Daten über die in § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Personen weiterverarbeiten. 2Eine automatisierte Weiterverarbeitung personenbezogener Daten über die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 genannten Personen ist jedoch nur zulässig, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

(8) 1Die Polizeibehörden und die Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung können gespeicherte personenbezogene Daten zur polizeilichen Aus- oder Fortbildung oder effektiven Wirksamkeitskontrolle oder zu statistischen Zwecken weiterverarbeiten. 2Die Daten sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu anonymisieren. 3Die Abs. 1, 2, 4 bis 7 und § 68 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes finden insoweit keine Anwendung. 4Eine Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten, die aus in Abs. 3 genannten Maßnahmen erlangt wurden, ist ausgeschlossen; dies gilt nicht, soweit die Weiterverarbeitung dieser Daten für die Zwecke nach Satz 1 unerlässlich ist.

(9) 1Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können zur Vorgangsverwaltung oder zur befristeten Dokumentation behördlichen Handelns personenbezogene Daten ausschließlich zu diesem Zweck oder zu dem in Abs. 10 Satz 1 genannten Zweck weiterverarbeiten. 2Abs. 1 bis 7 finden insoweit keine Anwendung. 3Die personenbezogenen Daten nach Satz 1 können auch zu den in den §§ 13a und 13b genannten Zwecken weiterverarbeitet werden.

(10) 1Die Polizeibehörden können für die Planung von Maßnahmen der Kriminalitätsbekämpfung vorhandene personenbezogene Daten über Vermisstenfälle, auswertungsrelevante Straftaten und verdächtige Wahrnehmungen zur Erstellung eines Kriminalitätslagebildes weiterverarbeiten. 2Ein Kriminalitätslagebild darf Daten von Geschädigten, Zeuginnen und Zeugen sowie anderen nicht tatverdächtigen Personen nur enthalten, soweit dies zur Zweckerreichung erforderlich ist. 3Die automatisiert verarbeiteten personenbezogenen Daten sind spätestens am Ende des der Speicherung folgenden Jahres zu löschen.

(11) 1Die Polizeibehörden zeichnen Notrufe und Meldungen über sonstige Notrufeinrichtungen sowie den Funkverkehr ihrer Leitstellen auf. 2Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden können sonstige Telekommunikation aufzeichnen, wenn dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist; auf die Aufzeichnung soll hingewiesen werden, soweit dadurch die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wird. 3Soweit erforderlich, können die Aufzeichnungen

  1. 1.

    zur Abwehr einer Gefahr,

  2. 2.

    zur Strafverfolgung oder

  3. 3.

    zur Dokumentation behördlichen Handelns

weiterverarbeitet werden. 4Aufzeichnungen sind spätestens nach drei Monaten zu löschen, wenn sie nicht zu einem Zweck nach Satz 3 verarbeitet werden.

(12) 1§ 13 Abs. 9 gilt bei der Weiterverarbeitung personenbezogener Daten entsprechend. Bei Bewertungen ist § 68 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes zu beachten. 2In den Fällen, in denen bereits Daten zu einer Person vorhanden sind, können zu dieser Person auch personengebundene Hinweise, die zum Schutz dieser Person oder zum Schutz der Bediensteten der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden erforderlich sind, und weitere Hinweise, die geeignet sind, dem Schutz Dritter oder der Gewinnung von Ermittlungsansätzen zu dienen, weiterverarbeitet werden.