§ 15 HSOG - Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel

Bibliographie

Titel
Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)
Amtliche Abkürzung
HSOG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Hessen
Gliederungs-Nr.
310-63

(1) Im Sinne dieser Bestimmung ist

  1. 1.

    Observation die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person länger als vierundzwanzig Stunden innerhalb einer Woche oder über den Zeitraum einer Woche hinaus,

  2. 2.

    Einsatz technischer Mittel ihre für die betroffene Person nicht erkennbare Anwendung, insbesondere zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen sowie zum Abhören oder Aufzeichnen des gesprochenen Wortes.

(2) 1Die Polizeibehörden können durch Observation oder den Einsatz technischer Mittel personenbezogene Daten erheben

  1. 1.

    auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist,

  2. 2.

    über Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen werden,

  3. 3.

    über Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Personen in Verbindung stehen, die Straftaten der in Nr. 2 genannten Art begehen werden, und die Datenerhebung zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist,

  4. 4.

    über die in § 13 Abs. 2 Nr. 3 genannten Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der gefährdeten Person rechtfertigen.

2Die Datenerhebung durch Observation oder den Einsatz technischer Mittel ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 15a, 16 und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. 3Im Rahmen der Aufgabenerfüllung können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Satz 1 durchführen zu können.

(3) 1Außer bei Gefahr im Verzug erfolgt die Anordnung der Observation oder des Einsatzes technischer Mittel durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten, soweit nach Abs. 5 nicht eine richterliche Anordnung erforderlich ist. 2Für eine Observation über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ist die Zustimmung des Ministeriums des Innern oder einer von ihm benannten Stelle erforderlich.

(4) 1In oder aus Wohnungen können die Polizeibehörden ohne Kenntnis der betroffenen Person Daten nur erheben, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. 2Ein Eingriff mit technischen Mitteln ist nicht zulässig, soweit keine Auskunftspflicht der betroffenen Person nach § 12 Abs. 2 besteht. 3Das Verbot nach Satz 2 gilt auch, wenn durch eine gegen einen Dritten gerichtete Maßnahme Erkenntnisse erlangt würden, die nicht der Auskunftspflicht nach § 12 Abs. 2 unterliegen. 4Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Maßnahme allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. 5Bestehen insoweit Zweifel, darf die Datenerhebung ausschließlich durch eine automatische Aufzeichnung erfolgen und fortgesetzt werden. 6§ 38 Abs. 7 gilt entsprechend, soweit die Datenerhebung nicht mit technischen Mitteln erfolgt.

(5) 1Maßnahmen nach Abs. 4 sowie das Abhören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Einsatz technischer Mittel dürfen außer bei Gefahr im Verzug nur durch richterliche Anordnung getroffen werden. 2Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass, soweit es sich nicht um Maßnahmen nach Abs. 4 handelt, das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. 3Die Anordnung ergeht schriftlich. 4Sie muss die Personen, gegen die sich die Maßnahmen richten sollen, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. 5Art und Dauer der Maßnahmen sind festzulegen. 6Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen und, soweit möglich, räumlich zu begrenzen. 7Eine dreimalige Verlängerung um jeweils höchstens drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. 8Hat die Polizeibehörde bei Gefahr im Verzug die Anordnung getroffen, so beantragt sie unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung. 9Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht bis zum Ablauf des folgenden Tages richterlich bestätigt wird. 10Automatische Aufzeichnungen nach Abs. 4 Satz 5 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. 11Für die nicht verwertbaren Teile ordnet das Gericht die unverzügliche Löschung an. 12Das Gericht unterrichtet die Polizeibehörde unverzüglich über den Inhalt der verwertbaren Teile der Aufzeichnung.

(6) 1Abs. 2 bis Abs. 5 gelten nicht für das Abhören und Aufzeichnen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben einer bei einem polizeilichen Einsatz tätigen Person geschieht. 2Das Abhören und Aufzeichnen in oder aus Wohnungen ordnet die Polizeibehörde an. 3Erlangte Erkenntnisse auf Grund von Anordnungen nach Satz 2 dürfen anderweitig nur verarbeitet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist und wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt worden ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen, § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 4Für Zwecke der Strafverfolgung dürfen die Erkenntnisse auf Grund von Anordnungen nach Satz 2 nach Maßgabe des § 161 Abs. 3 der Strafprozessordnung verarbeitet werden.

(7) 1Zur Vorbereitung des Einsatzes technischer Mittel kann die Polizeibehörde die Wohnung der betroffenen Person betreten, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung unerlässlich ist. 2Außer bei Gefahr im Verzug ist dies nur nach richterlicher Anordnung zulässig. 3§ 15 Abs. 5 Satz 8 und 9 gelten entsprechend.

(8) Die Befugnis der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden, bestimmte Mittel zur Überwachung der Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften zu verwenden, bleibt unberührt.

(9) 1Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach Abs. 4 und Abs. 6 Satz 3 und 4 getroffenen Maßnahmen. 2Die parlamentarische Kontrolle wird auf der Grundlage dieses Berichts von einer parlamentarischen Kontrollkommission ausgeübt. 3§ 20 Abs. 2 bis 4, § 21 sowie § 22 Abs. 4 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 19. Dezember 1990 (GVBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. April 2002 (GVBl. I S. 82), in der jeweils geltenden Fassung gelten entsprechend.